Kanadische Datenschützer gehen weiter gegen Clearview AI vor.
Die App von Clearview AI besteht aus zwei einfachen Komponenten, die in Kombination gesellschaftlicher Sprengstoff sind: Eine Bildanalyse-KI gleicht neue Fotos mit einer hauptsächlich aus Social-Media-Bildern zusammengestellten Gesichtsdatenbank auf Ähnlichkeit ab. Dann stellt sie in den Suchergebnissen Links auf mögliche passende Internetprofile zusammen. Menschen können so innerhalb weniger Sekunden identifiziert werden.
Auf der eigenen Webseite vermarktet Clearview die Software als Technologie "für eine sichere Welt", die Behörden helfe, Täter und Opfer zu identifizieren. Sie habe Strafverfolgungsbehörden unterstützt, Hunderte flüchtige Kriminelle aufzuspüren, darunter Pädophile, Terroristen, Sexhändler, und Unschuldige entlastet.
Kanadische Datenschützer über Clearview: "Völlig inakzeptabel"
Kanadas Chef-Datenschützer Daniel Therrien fällt ein eindeutiges Urteil über Clearviews Angebot: "Clearview betreibt Massenüberwachung und ist illegal."
Die App sei ein Affront gegen Persönlichkeitsrechte und würde eine Gesellschaft unter kontinuierliche polizeiliche Überwachung stellen. "Das ist völlig inakzeptabel", urteilt Therrien.
Seit rund einem Jahr will seine Behörde Clearview AI zumindest im kanadischen Kontext das Handwerk legen. Im Sommer erzielte sie einen Teilerfolg: Clearview verkauft die Software nicht mehr an kanadische Behörden.
Jetzt wollen die kanadischen Datenschützer Clearview dazu bewegen, keine Bilder mehr von Kanadiern in der eigenen Datenbank hochzuladen. Bereits gesammelte Bilder sowie dazugehörige biometrische Daten soll das Start-up löschen. Der Bilder-Upload ohne Zustimmung verstoße gegen geltendes kanadisches Datenschutzrecht.
Clearview wehrt sich gegen kanadische Kontrollversuche
Doch Clearview will dieser Forderung nicht nachgeben: Das Start-up argumentiert, dass die Verwendung der Fotos legal sei, da sie öffentlich verfügbar seien. Außerdem sei der Clearview-Service nicht verantwortlich für Verhalten und Fehler kanadischer Behörden. Letztlich bestünden keine "echten und substanziellen" Verbindungen nach Kanada.
Ein Anwalt von Clearview bezeichnet die App in einem Statement (via Techcrunch) als Suchmaschine für öffentlich verfügbare Daten vergleichbar mit Google, das in Kanada ebenfalls genutzt werden dürfe. Die Sammlung öffentlich verfügbarer Informationen sei nach kanadischem Datenschutzrecht legitim.
Die kanadische Datenschutzbehörde hat bislang nicht die Möglichkeit, Clearview zum Löschen der Daten zu zwingen. Sie strebt daher eine Gesetzeserweiterung an, die ihren Handlungsspielraum vergrößert.
In unserem MIXED.de Podcast Folge #187 sprechen wir über die umstrittene Gesichtserkennungs-App und diskutieren, welche Risiken sie birgt - und vielleicht auch Chancen.
Quelle: Office of the Privacy Commissioner of Canada