Laut Deepfake-Experte Hao Li entwickeln sich Deepfakes schneller als gedacht - und können in Zukunft auch durch Gegenalgorithmen nicht entlarvt werden.
Seit vielen Jahren befasst sich Hao Li mit der Frage, wie man das menschliche Gesicht digitalisieren und manipulieren kann. Li wuchs in Saarbrücken auf, machte seinen PhD an der ETH Zürich.
Für die Universität Südkalifornien lehrt er jetzt als Professor für Bild- und Grafikmanipulation. In seinem Startup Pinscreen setzt er fortschrittliche KI-Technologie für die Film- und Computerspielindustrie ein und ist an großen Hollywood-Projekten beteiligt.
Zum Beispiel gehörte Li zum Team, das im Film "Furious 7" den 2013 verstorbenen Schauspieler Paul Walker für noch nicht abgedrehte Szenen digital wiederbelebte. Derzeit arbeitet er an einem neuen Projekt mit Will Smith.
https://www.youtube.com/watch?v=NbT93SoFkrw
"Deepfakes werden in zwei bis drei Jahren perfekt sein"
In China sorgte kürzlich die Deepfake-App Zao für Furore: Sie benötigt nur wenige Porträts und ein paar Sekunden, um das Gesicht des Nutzers in Hollywood-Filme und -Serien zu kopieren. Die App erlebte einen Aufmerksamkeitssturm und sprang in China auf den ersten Platz der chinesischen iOS-Charts.
In case you haven't heard, #ZAO is a Chinese app which completely blew up since Friday. Best application of 'Deepfake'-style AI facial replacement I've ever seen.
Here's an example of me as DiCaprio (generated in under 8 secs from that one photo in the thumbnail) ? pic.twitter.com/1RpnJJ3wgT
— Allan Xia (@AllanXia) September 1, 2019
Li ist sich der Gefahren von Deepfakes bewusst, falls die mächtige Fälschungstechnologie in die Hände der Allgemeinheit gerät - und noch dazu einfach zu bedienen ist.
Er zeigt sich überrascht von der Existenz der Zao-App: Eigentlich sei er davon ausgegangen, dass richtig gute Deepfakes noch nachbearbeitet werden müssten - ein Grund, weshalb Deepfakes bislang keinen großen Schaden verursachten.
"Es ist lustig, dass ich vor ein paar Monaten noch sagte, dass es Jahre dauern würde, bis jedermann richtig gute Deepfakes erstellen kann", sagt Li. Dann habe er Zao gesehen und gedacht: "Wow, das entwickelt sich schneller als prognostiziert."
Der perfekte Deepfake: Erkennungsalgorithmen sind chancenlos
Gemeinsam mit Forscherkollegen arbeitet Li an Erkennungsalgorithmen für Deepfakes von hochrangigen Politikern. Er ist derjenige, der das Wissen über die Kreation der Fake-Videos beisteuert.
Überzeugt, dass dieses Unterfangen gelingt, ist Li nicht. "Wir sitzen vor einem großen Problem", sagte Li kürzlich.
Technisch betrachtet seien Videos nur Pixel mit bestimmten Farbwerten - auch Deepfakes. Es gebe daher keinen technischen Ansatz, perfekte Deepfakes von authentischen Videos zu unterscheiden.
Im Katz-und-Maus-Spiel zwischen Fälschern und Aufdeckern sieht Li daher langfristig die Fälscher im Vorteil. In ein paar Jahren sei es wahrscheinlich möglich, nicht identifizierbare Deepfakes mit nur einem Klick zu erstellen.
"Wenn dieser Punkt kommt, dann muss uns klar sein, dass nicht jedes Video, das wir sehen, authentisch ist", sagt Li.
Quellen: MIT Technology Review, OpenAccess; Titelbild: Hao Li