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KI bei der Bundeswehr und der BWI | DEEP MINDS #16

Sind Quantencomputer schneller als binäre Supercomputer? Google sagt ja, IBM sagt ja - aber noch nicht jetzt.

"Google erreicht die Quantenüberlegenheit!", hieß es bereits vor rund einem Monat, als auf der Webseite der NASA versehentlich eine wissenschaftliche Veröffentlichung aus Googles Quantencomputer-Forschungsabteilung erschien. Nun wissen wir, dass diese Publikation authentisch ist: Der Text wurde im Fachmagazin Nature publiziert.

Konkret hat Google gezeigt, dass der firmeneigene Quantencomputerchip "Sycamore" mit 54 Quantenbits (Qubits) aktuellen Supercomputern in einer bestimmten Rechenaufgabe überlegen ist. Sycamore ist langsamer als Googles 2018 vorgestellter Quantenprozessor "Bristlecone" mit bis zu 72 Qubits.

So sieht es laut Google aus, wenn der Quantenprozessor installiert wird. Bild: Google
So sieht es laut Google aus, wenn der Quantenprozessor installiert wird. Bild: Google

Ein Qubit beschreibt einen quantenmechanischen Zweizustand, der je nach Messung unterschiedlich ausfällt: Null und Eins wie in binären Systemen gibt es dann nicht mehr, sondern nur noch einen Zwischenzustand, der mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit aus allen sich überlagernden Zuständen zwischen Null und Eins besteht. Das Verfahren soll die parallele Berechnung komplexer mathematischer Aufgaben oder die Suche in riesigen Datenmengen beschleunigen.

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Googles Quantencomputer erledigte die zuvor erwähnte Rechenaufgabe in 200 Sekunden, während laut Google selbst die schnellsten binären Supercomputer für die gleiche Berechnung circa 10.000 Jahre bräuchten. Damit wäre theoretisch die eingangs erwähnte Quantenüberlegenheit bewiesen, bei der Quantencomputer eine Aufgabe erfüllen können, die klassischen Computern nicht - oder zumindest nicht sinnvoll - gelingt.

Quantenwas? Wer mehr über Quantentechnologie erfahren will, schaut sich dieses Einsteigervideo an (englisch):

Erster experimenteller Beweis der Quantenüberlegenheit – oder doch nicht?

Dass Quantencomputer ihren binären Kollegen in gewissen Aufgaben haushoch überlegen sind, ist in der Theorie schon lange bekannt – und überhaupt der Grund, sie zu erforschen und zu bauen. Google beweist jetzt erstmals experimentell, dass der theoretische Vorteil der Qubits auch in der Realität existiert.

Gleichwohl ist die gelöste Aufgabe weit weg von praktischen Anwendungen wie der Simulation von Quantenzuständen oder dem Knacken vermeintlich sicherer Verschlüsselungen. Und: Es gibt kritische Stimmen, die bezweifeln, dass Google die Quantenüberlegenheit tatsächlich bewiesen hat.

Googles Quantenüberlegenheit ist gar keine - laut IBM

IBM veröffentlicht einen Blog-Post mit einem direkten Widerspruch zu Googles Eureka-Behauptung. Die Berechnungen des Sycamore-Chips zeigten keine massive Überlegenheit von Quantencomputern gegenüber traditionellen Architekturen.

Empfehlung

Mit mathematischen Optimierungen und jede Menge Speicher könne ein binärer Supercomputer dieselbe Aufgabe in maximal zweieinhalb Tagen lösen statt in 10.000 Jahren. Das wäre zwar noch immer langsamer als Googles Quantencomputer. Aber der Unterschied wäre nicht mehr so signifikant – vielleicht nicht signifikant genug, um sich mit der Quantenüberlegenheit zu brüsten. IBM jedenfalls warnt davor, den Begriff der Quantenüberlegenheit nicht falsch zu interpretieren und so Verwirrung zu stiften.

Womöglich betreibt IBM geschickte PR, denn den binären Supercomputer "Summit", der es mit Googles Quantenmaschine aufnehmen können soll, hat das Unternehmen selbst gebaut. Er hat etwa 250 Petabyte Festplattenspeicher, auf denen IBM eine mathematische Simulation von Googles Quantenchip speichern will. Das soll den Rechenvorgang beschleunigen.

IBMs Argument ist nicht griffig

Allerdings entspricht selbst eine Berechnungsdauer von zweieinhalb Tagen noch immer rund dem 1.200-fachen Zeitaufwand im Vergleich zu Googles Quantenberechnung. IBMs Gegenbeispiel beweist daher vor allem eines: Der Quantenchip hat die Aufgabe tatsächlich deutlich schneller gelöst als der herkömmliche Computer.

IBMs Quanten-Simulationsstrategie gerate außerdem schnell an ihre Grenzen, schreibt Informatiker Scott Aaronson in seinem Blog. Schon ein Chip mit 55 Qubits übersteige die Kapazitäten des Supercomputers Summit. Für die Simulation von 60 Qubits bräuchte IBM ganze 33 Summits.

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Max ist leitender Redakteur bei THE DECODER. Als studierter Philosoph beschäftigt er sich mit dem Bewusstsein, KI und der Frage, ob Maschinen wirklich denken können oder nur so tun als ob.
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