- Google-Perspektive ergänzt
Update 10. September 2025:
Google rudert bei seiner Aussage zurück, das "offene Web" sei in "rapidem Verfall". Nachdem diese Formulierung in einem juristischen Schriftsatz zur Abwehr der Zerschlagung seines Werbegeschäfts für Aufsehen sorgte (Berichte siehe unten), versucht das Unternehmen nun, den Begriff als verkürzte Formulierung zu relativieren: Eigentlich sei es um "Display-Werbung im offenen Web" gegangen. Das juristische Schriftstück wurde an einigen Stellen entsprechend angepasst.
Ein Rückgang der Display-Werbung im offenen Web ist nicht gleichzusetzen mit einem Verfall des offenen Webs, doch die beiden Themen hängen eng zusammen. Viele Webseiten, gerade Publisher, finanzieren sich über Display-Werbung.
Zudem relativierte der für die Google-Suche verantwortliche Produktmanager Robby Stein die vorherige Aussage von Logan Kilpatrick, wonach der AI Mode bald zum Standard werden könnte. Stein betonte, dass der aktuelle Fokus darauf liege, es Nutzerinnen und Nutzern, die den Modus ausprobieren möchten, so einfach wie möglich zu machen. Kilpatrick bestätigte diese Einschätzung.

Ursprünglicher Artikel vom 7. September 2025:
Googles AI Mode könnte bald die neue Standard-Suche werden
Die Google-Suche könnte kurz vor der größten Veränderung seit ihrer Erfindung stehen: Der AI-Mode wird Standard.
Der "AI Mode" ist eine Erweiterung der schon jetzt umfassend ausgespielten "Übersichten mit KI". Ähnlich wie bei ChatGPT oder Perplexity kann man im AI Mode nach einer Suchanfrage weiterchatten. Google verändert so seine Rolle noch stärker von einem Portal zum WWW hin zu einer geschlossenen Content-Plattform mit generativer KI als zentrales Element.
Googles KI-Produktmanager Logan Kilpatrick deutet jetzt bei X an, dass dieser AI Mode bald die neue Standard-Suche werden könnte: Zum einen leitet die URL google.com/ai jetzt direkt auf den AI Mode um, zum anderen antwortet Kilpatrick auf die Nutzerforderung, dass der AI Mode "Default" sein müsse, mit "bald".

Der Modus ist bislang in mehr als 180 Ländern außerhalb der EU ausgerollt, ersetzt allerdings bisher nicht die Standard-Suche. Im letzten Update erweiterte Google den AI Mode um agentische Funktionen, etwa die Möglichkeit, lokale Dienstleistungen oder Event-Tickets direkt zu beauftragen oder zu bestellen.
Google sieht das WWW bereits im "rapiden Verfall"
Parallel argumentieren Googles Anwälte im Rahmen eines Rechtsstreits um die Zerschlagung der Ad-Tech-Sparte, dass das Web bereits "in einem rapiden Verfall sei" (via Jason Kint). Sie betonen, eine Zerschlagung des Werbegeschäfts wäre gerade in einer Phase tiefgreifender Marktveränderungen kontraproduktiv. Werbeausgaben verlagerten sich ohnehin zunehmend von klassischer Display-Werbung auf offenen Webseiten hin zu neuen Formaten wie Connected TV (CTV), Retail Media oder durch KI geschaffene, "enorm populäre Publisher" wie KI-Chatbots, die selbst Inhalte monetarisieren.
Laut Google würde eine erzwungene Aufspaltung diesen Wandel noch beschleunigen, Ressourcen aus dem offenen Web abziehen und damit gerade jenen Publishern schaden, deren Geschäftsmodell auf diesen Einnahmen basiert.
Bemerkenswert ist dabei die paradoxe Argumentation: Während sich Google im Verfahren als Verteidiger der Publisher-Einnahmen im offenen Web inszeniert, beschleunigt das Unternehmen mit dem "AI Mode" und der Verlagerung der Suche auf die eigene Plattform selbst den Rückgang des offenen Webs.
Google nutzt also ein Problem, das es maßgeblich mitverursacht, als Argumentation, um einer Zerschlagung zu entgehen, die nach eigener Aussage den verbliebenen Akteuren im Web schaden würde. Eine verquere Logik, die gut in die Liste sinnfreier Aussagen von Google-Verantwortlichen über die Auswirkungen von KI-Suchen auf das offene Web passt.
Konkret wehrt sich Google im Rechtsstreit gegen Forderungen der Kläger, die den Verkauf der Werbebörse AdX, die Offenlegung der zentralen Auktionslogik als Open Source und die Abschöpfung von 50 Prozent der Nettoeinnahmen vorsehen. Zusätzlich sollen Verhaltensregeln und offene Schnittstellen Googles Marktmacht begrenzen und für mehr Wettbewerb sorgen.