Eine neue Stabsstelle in Rheinland-Pfalz soll KI-Projekte koordinieren, erste Anwendungen werden bereits getestet. Im Interview erklärt Innen-Staatssekretär Daniel Stich die Strategie des Bundeslandes.
Die Bundesregierung will mit der „Nationalen Datenstrategie“ die Potenziale der Künstlichen Intelligenz (KI) für den öffentlichen Sektor nutzbar machen. Auf der Umsetzungsebene sind aber in Deutschland die Bundesländer die entscheidenden Akteure.
Dies betrifft besonders die Kommunal- und Landesverwaltungen sowie Sicherheitsbehörden. Dies sind gleichzeitig jene Bereiche, in denen die Verwaltung den Bürgern direkt begegnet – hier sind die Auswirkungen der KI-Nutzung des Staates besonders spürbar.
Im Rahmen von „KI-Humanitas: Enabling AI-Skills“ konnte Dr. Wolfgang König den rheinland-pfälzischen Innen-Staatssekretär Daniel Stich interviewen.
The Decoder: Herr Stich, Sie sind Staatssekretär im Innenministerium in Rheinland-Pfalz. Was sind die drei wichtigsten Key-Learnings aus Ihrer Sicht beim Thema KI in Staat und Verwaltung?
Staatssekretär Stich: Erstens: Mir ist es wichtig, KI zu entmystifizieren. KI ist keine fremde Macht, sondern ein Tool, welches uns in Staat und Verwaltung in vielerlei Hinsicht bei ganz konkreten Anwendungsfällen unterstützen kann. Zweitens: Wir müssen in der Verwaltung dringend Kompetenzen aufbauen. Die Mitarbeitenden Lust auf die neuen Technologien haben und die Chancen für ihre konkreten Aufgabestellungen erkennen. Und drittens: Akzeptanz ist das A und O. Die Menschen – egal ob Bürgerinnen und Bürger oder die Mitarbeitenden – müssen verstehen, wie KI funktioniert und wie sie hilft. Nur so kann Vertrauen entstehen.
The Decoder: Die Bundesregierung will KI in der Verwaltung ermöglichen. Gibt es dazu eine gemeinsame Position der Innenminister in Deutschland?
Staatssekretär Stich: Das Thema KI war auf der letzten Innenministerkonferenz im Dezember 2024 ein großes Thema – vor allem im Zusammenhang mit der geplanten EU-Verordnung und dem Einsatz von KI in Sicherheitsbehörden. Dabei ging es darum, wie wir länderübergreifend zusammenarbeiten können und gleichzeitig die rechtlichen und ethischen Vorgaben aus der EU-Verordnung einhalten. Ziel ist es, unsere Sicherheitsbehörden mit zeitgemäßen Befugnissen auszustatten.
The Decoder: Beim Thema KI werden zwei Themenbereiche besonders deutlich. Diese betreffen die KI-Infrastruktur und die Ertüchtigung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wo kommt KI-Technologie bisher schon erfolgreich zum Einsatz und welche weiteren Maßnahmen sind geplant?
Staatssekretär Stich: Im Innenministerium haben wir uns auf den Weg gemacht und zum Jahreswechsel eine Stabsstelle zum Thema KI eingerichtet, die organisatorisch unmittelbar an die Hausleitung angebunden ist. Sie soll nicht nur ein „Think Tank“ für den gesamten Geschäftsbereich des Ministeriums sein, sondern auch zu einem „Do Tank“ werden, der konkrete Anwendungsmöglichkeiten für Aufgabenstellungen aus unserer Praxis identifiziert.
Außerdem wird unsere Stabsstelle eine wichtige Vernetzungsfunktion innehaben, um bereits bestehende Ansätze und Best-Practice-Beispiele aus den unterschiedlichen Behörden zusammenzubringen und den Austausch zu fördern. Gute Ansätze gibt es schon, zum Beispiel bei der Polizei. Derzeit erprobt oder genutzt wird KI in der Polizei Rheinland-Pfalz beispielsweise zur Bekämpfung von Kinderpornografie, bei der Verarbeitung von Sprache und Übersetzungen oder im Bereich der Verkehrssicherheitsarbeit. Für eine bessere Polizeiarbeit werden fortlaufend weitere Nutzungsmöglichkeiten identifiziert und deren technische Umsetzbarkeit und rechtliche Zulässigkeit geprüft. Auch im Austausch mit Wissenschaft und Wirtschaft werden zielgerichtete Lösungen erforscht und entwickelt.
The Decoder: Wie werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Staat und Verwaltung ertüchtigt, KI im Arbeitsalltag zu verwenden?
Staatssekretär Stich: Damit KI in der Verwaltung wirklich Erfolg haben kann, ist es wichtig, dass die Mitarbeitenden gut darauf vorbereitet sind. Es gibt da bundesweit schon einige Initiativen, wie Fortbildungen und Pilotprojekte, bei denen die Mitarbeitenden mit KI-Tools arbeiten und Feedback geben können. In Rheinland-Pfalz haben wir eine Fortbildungsoffensive gestartet, die KI und Digitalisierung ganz konkret in die Aus- und Weiterbildung einbindet. Wichtig ist, dass wir regelmäßig schauen, ob die Schulungen wirklich etwas bringen, und sie dann an neue Technologien anpassen. Und am Ende lernt man den Umgang mit KI natürlich am besten, indem man sie im Arbeitsalltag auch wirklich einsetzt.
The Decoder: Prompt Engineering wird zu einer wichtigen Zukunftskompetenz. Wie beurteilen Sie die Relevanz dieser Zukunftskompetenz für die Verwaltung?
Staatssekretär Stich: „Prompt Engineering“ ist echt eine Schlüsselkompetenz, wenn es darum geht, KI effektiv zu nutzen. Deshalb ist es wichtig, dass wir das in Schulungsprogramme einbauen. In Rheinland-Pfalz macht zum Beispiel die Entwicklungsagentur RLP schon seit ein paar Jahren Schulungen, speziell für Kommunalpolitikerinnen, Kommunalpolitiker und Mitarbeitende in der Verwaltung, um sie fit im „Prompten“ zu machen. Das ist ein guter Anfang und darauf können wir weiter aufbauen.
Staatssekretär Stich: Solche Modelle sind auf jeden Fall hilfreich, weil sie zwei wichtige Dinge verbinden: Transparenz und einfache Lernansätze. Sie machen es den Mitarbeitenden leichter, zu verstehen, wie KI eigentlich funktioniert, und das schafft Vertrauen. Und wenn man versteht, wie so ein System „tickt“, kann man es auch viel gezielter einsetzen.
The Decoder: Welche Aktivitäten sind mit Blick auf „Bürgervorteile durch die KI-Nutzung des Staates“ geplant?
Staatssekretär Stich: Mit KI wollen wir vor allem dafür sorgen, dass die Verwaltungsprozesse für die Bürgerinnen und Bürger schneller und einfacher werden. In Rheinland-Pfalz gibt es ja schon erste Beispiele, wie die automatische Bearbeitung von Wohngeldanträgen. Zukünftig wollen wir ein „KI-Service-Portal“ aufbauen, das personalisierte Infos und Unterstützung bietet. Kurzfristig arbeiten wir daran, noch mehr KI-gestützte Dienstleistungen anzubieten. Mittelfristig geht es darum, diese Angebote barrierefrei zu machen, damit wirklich alle sie nutzen können. Langfristig wäre es toll, wenn wir viele Prozesse komplett automatisieren und personalisieren könnten – und damit die Verwaltung moderner und bürgerfreundlicher wird.
The Decoder: Wie muss sich aus Ihrer Sicht die Verwaltungskultur und -struktur ändern, wenn Staat und Bürger KI-Tools zur Kommunikation nutzen?
Staatssekretär Stich: Ich freue mich für alle Mitarbeitenden, deren Arbeitsabläufe durch KI vereinfacht werden. Es ist eine „Win-Win-Situation“, wenn einerseits Abläufe schneller und einfacher werden und andererseits die Schnelligkeit und Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger. Um dorthin zu kommen, brauchen wir hier und da etwas mehr Offenheit, Transparenz und Lust auf Neues. Gleichzeitig müssen wir agile Arbeitsweisen einführen und digitale Fähigkeiten kontinuierlich stärken, damit wir gut mit den Anforderungen der KI-gestützten Kommunikation klarkommen.
The Decoder: Welchen Änderungsbedarf sehen Sie bei der Fort- und Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landes- und Kommunalverwaltungen mit Blick auf KI?
Staatssekretär Stich:Kurzfristig geht es vor allem darum, die Grundlagen zu vermitteln und Schulungen anzubieten, damit die Mitarbeitenden überhaupt wissen, wie sie KI nutzen können. Mittelfristig müssen wir das Thema dann fest in die Aus- und Weiterbildung integrieren, damit es für alle zugänglich wird. Langfristig brauchen wir eine echte Lernkultur, bei der die Mitarbeitenden fit bleiben, um mit den ständigen technologischen Entwicklungen Schritt zu halten.
The Decoder: Wie nutzen Sie persönlich KI-Chatbots wie ChatGPT und was ist dabei aus Ihrer Sicht das Wichtigste?
Staatssekretär Stich: Ich nutze KI-Chatbots ausschließlich privat und auch nur dann, wenn ich eine Frage habe, die durch eine gewöhnliche Suchmaschine nicht auf die Schnelle zufriedenstellend beantwortet werden kann. Wichtig ist mir dabei, die Antworten kritisch zu prüfen und die KI als Werkzeug zu verstehen, das menschliches Denken ergänzt, aber nicht ersetzt.