Von Fehlinformationen über Haftung bis hin zur Wirtschaftlichkeit gibt es viele offene Fragen im Zusammenhang mit Chatbots. Eine der wichtigsten ist, wie sich Chatbots im Content-Ökosystem positionieren. Können sie mehr sein als Text-Parasiten?
In einem Interview mit The Verge versicherte Microsoft-Chef Satya Nadella den Verlegern, dass Microsofts Bing-Angebot "leben oder sterben" werde, je nachdem, ob es in der Lage sei, Menschen zu den Inhalten der Verlage zu führen.
Mehr Wettbewerb auf dem Suchmaschinenmarkt durch Microsoft und andere Anbieter könnte Verlagen zudem helfen, gleichmäßiger Traffic aus verschiedenen Quellen zu erhalten. Werbetreibende könnten bessere Preise erzielen, so Nadella.
"Auf diese Weise werden Verleger mehr Geld verdienen, Werbetreibende werden mehr Geld verdienen und die Nutzer werden großartige Innovationen erleben. Stellen Sie sich vor, was für ein großartiger Tag das sein wird", sagt Nadella.
Nadella beruft sich auf "faire Nutzung"
In der Softwarekategorie "Suche" gehe es um eine faire Nutzung, so Nadella. Microsoft wolle ausgehenden Traffic zu "100 Prozent" als Leistungsindikator (KPI) setzen. Andernfalls würden die Bing-Crawl-Bots wohl von Verlagen ausgeschlossen. Unklar ist, ob sich Nadella hier auf die klassische Bing-Suche oder auf Chat-Antworten bezieht.
Nadella weiter: "An anderen Stellen muss man sich genau überlegen, was eine faire Nutzung ist. Und manchmal wird es wohl auch Rechtsfälle geben, die einen Präzedenzfall schaffen müssen." Es benötige rechtliche Rahmenbedingungen und finanzielle Anreize, so Nadella weiter.
Microsofts Bing-Chat-Implementierung zitiert immer noch andere Websites als Quellen, aber die Klickraten zu diesen Websites sind wahrscheinlich deutlich niedriger als bei der herkömmlichen Suche. Im Allgemeinen sind viele Unternehmen auf Aufrufe aus Suchmaschinen angewiesen, aber ein Rückgang des Traffics würde Verlage wahrscheinlich am härtesten treffen.
Chatbots vs. Verlage
Die klassische Internetsuche verteilt Traffic auf andere Websites. Von diesem Traffic leben die Organisationen, die den Content aufbereiten und anbieten - typischerweise sind das Verlage, kleine und große Medienhäuser oder selbstständige Content-Entwickler:innen.
Diesen Menschen droht nun, dass Chatbot-Anbieter wie Microsoft und Google ihren Content sukzessive als Quellen-Remix auf der eigenen Plattform ausgeben, um die Nutzer:innen möglichst lange dort zu halten und zu monetarisieren.
Content-Anbieter müssten in diesem Szenario mit Umsatzeinbußen rechnen - obwohl ihr Content für das Training des KI-Modells verwendet wurde (und bei aktuellen Themen wohl auch in Zukunft benötigt wird). Microsofts Bing-Chatbot beispielsweise basiert einem Leak zufolge offenbar noch auf GPT 3.5, reichert die Antworten aber mit aktuellen Informationen aus Internetquellen an.
Woher diese aktuellen Informationen stammen und wie sie generiert werden? Das wissen derzeit nur Microsoft und OpenAI. Vermutlich wird das KI-Modell bei aktuellen Themen bestehende Quellen zusammenfassen und mit Kontext aus dem 2021 GPT 3.5 Modell anreichern.
Die Situation erinnert an die unerlaubte Nutzung von Bildern aus dem Internet für das KI-Training, die ebenfalls zu zahlreichen Protesten geführt hat. Derzeit klagt die Bildplattform Getty Images gegen die Firma Stability AI. Eine Lösung des Rechtsstreits könnte jedoch Jahre dauern.