Google experimentiert mit Chatbots und KI-generierten Suchergebnissen. Die Google-Suche soll sich "weiterentwickeln", sagt Google-Chef Sundar Pichai. Was wird aus dem WWW?
Scott Pelley von CBSNews konfrontiert Pichai mit der zentralen Frage: "Warum sollte sich ein Nutzer noch durch die Ergebnisse der Google-Suche klicken, wenn ein Chatbot die Antwort direkt liefert?"
Pichai antwortet etwas ausweichend: Die Google-Suche werde sich weiterentwickeln, "hilfreicher" werden und neue Funktionen bieten, wie eine Zusammenfassung auf eine Anfrage zu generieren. Mit der generativen KI-Suche SGE (Search Generative Experience) bietet Google bereits eine erste Version dieser neuen Suche für Testnutzerinnen und Testnutzer an.
Google dominiert das gegenwärtige Internet und auch die mögliche Zukunftsversion
Pelley stellt die Frage nach der wirtschaftlichen Zukunft von Google und ob der Konzern nicht dabei sei, seine eigene Cashcow zu schlachten. Inzwischen dürfte klar sein, dass dies die falsche Frage ist.
Die richtige Frage wäre: Wie groß wird das neue Geschäft?
Denn tatsächlich dürfte Google von KI in der Suche eher profitieren. So hält die neue SGE die Nutzerinnen und Nutzer länger im Google-Ökosystem - das schafft mehr Platz für Werbung.
Chatbots könnten personalisierte Werbung in Texte einweben, die besonders effektiv und damit vielleicht auch besonders teuer ist. Wenn die Google-Suche zum neuen Allzweck-Assistenten und audiovisuell im Alltag allgegenwärtig wird, stößt Google in neue Dimensionen der Marktdurchdringung vor.
Natürlich hat Google mit OpenAI und Microsoft mit dem Bing Chatbot neue Konkurrenz bekommen. Aber bisher hat diese vermeintliche Konkurrenz das Geschäft von Google nicht beeinträchtigt. Microsoft hat mit Bing trotz sehr aggressiven und teilweise geschmacklosen Marketings bisher kein nennenswertes Wachstum erzielt (oder nicht darüber gesprochen).
Und die aktuelle Version von Googles KI-Suche ist den Angeboten von Microsoft und OpenAI in Sachen Benutzerfreundlichkeit, Multimodalität und Verknüpfung von Suchergebnissen mit Chatmöglichkeiten meilenweit voraus.
Google hat also alle Trümpfe in der Hand und mit der Google-Deepmind-Fusion noch einmal den Turbo in der KI-Entwicklung gezündet. Das neue multimodale Modell Gemini könnte noch in diesem Jahr neue Standards setzen.
OpenAI hingegen ist nach eigenen Angaben noch weit davon entfernt, überhaupt mit dem Training von GPT-5 zu beginnen. Auch versprochene Features wie Multimodalität und das große Kontextfenster für GPT-4 wurden bisher nicht weitläufig ausgerollt.
Googles vermeintliches Innovator's Dilemma könnte sich also als Win-win-Situation erweisen: Google gewinnt doppelt.
Was wird aus dem WWW?
Die interessanteste Frage betrifft aber nicht die Bilanz von Google, sondern die der vielen anderen. Was wird aus dem World Wide Web, wenn Google und Co. dessen Inhalte in ihr Chatbot-Ökosystem überführen?
So umstritten Google auch sein mag, seine Marktmacht macht es zum Dreh- und Angelpunkt des offenen Internets. Es bringt Suchende und Inhalte zusammen und bildet damit die Grundlage für viele Geschäftsmodelle.
Im westlichen Markt ist Google der wichtigste Traffic-Lieferant für die Verlagsindustrie und damit auch Finanzierungsquelle für den Journalismus, nicht zuletzt weil es mit Google Adsense Teile des Verlagswerbemarktes kontrolliert.
Keiner der drei großen Chatbot-Anbieter bietet hier bislang auch nur ansatzweise eine Zukunftsvision.