Genfehler hinterlassen maschinell lesbare Merkmale in menschlichen Gesichtern.
Wissenschaftler aus den USA, Israel und Deutschland entwickeln eine KI-gestützte Software, die über 200 seltene Syndrome an Porträtfotos erkennen und mit möglichen Gendefekten verknüpfen kann.
Publiziert wurden die Ergebnisse zur Software "DeepGestalt" jetzt im Fachmagazin "Nature Medicine": Die Software soll zum Beispiel beim Cornelia-de-Lange-Syndrom eine Erkennungsrate von rund 97 Prozent erreichen. Eine menschliche Expertengruppe lag im Gegentest bei etwa 75 Prozent.
Auch bei der Diagnose des Angelmann-Syndroms liegt DeepGestalt mit circa 92 Prozent deutlich über der Trefferrate der Experten. Die erreichten rund 71 Prozent.
Das besonders komplexe Noonan-Syndrom, das durch eine Vielzahl genetischer Entwicklungsstörungen hervorgerufen wird, konnte die KI-Software immerhin in 64 Prozent der Fälle korrekt diagnostizieren. Experten können das Syndrom für gewöhnlich gar nicht am Gesicht erkennen.
Top-10-Liste möglicher Diagnosen
In einem Test mit 502 Porträtfotos, die jeweils einem der mehr als 200 Syndrome zugeordnet werden sollten, berechnete die KI-Software Erkrankungswahrscheinlichkeiten in einer Top-10-Liste. Das zum Bild passende Syndrom fand sich mit einer Wahrscheinlichkeit von circa 91 Prozent in dieser Liste. In rund 65 Prozent der Fälle stand es auf dem ersten Platz.
Trainiert wurde die KI-Software mit mehr als 17.000 Bildern von Betroffenen. Das Training erfolgt spezifisch pro Syndrom, beispielsweise wurde das Cornelia-de-Lange-Syndrom (CdLS) mit 614 Bildern von Betroffenen trainiert, die mit knapp 1.100 Bildern von Menschen ohne das Syndrom kontrastiert wurden.
Bei der Gesichtsanalyse achtet die Software auf Faktoren wie die Form des Mundes, der Augen, des Kinns oder den Abstand zwischen den Augenbrauen. Zugrundeliegend ist ein Deep-Learning-Prozess spezialisiert auf maschinelles Sehen.
KI-App für Kinderärzte
Eingesetzt werden kann die Software beispielsweise von Kinderärzten, die bei auffälligen Kindern einen Verdacht schöpfen. Die Software ersetzt die Diagnose nicht, sondern unterstützt das Verdachtsmoment und könnte den Diagnoseprozess beschleunigen. Die finale Diagnose kommt wie gehabt aus dem Labor.
Titelbild: FDNA , Via: Science Mag / Tagesspiegel / Ärzteblatt / Publikation bei Arxiv