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summary Zusammenfassung

OpenAI hat die Fähigkeit von ChatGPT, Inhalte von Webseiten zu lesen, auf Zusammenfassungen von 100 Wörtern beschränkt. Außerdem sind die Zusammenfassungen nicht zuverlässig.

Als OpenAI im Juli die "Browsing"-Beta von ChatGPT zurückzog, tat es dies mit einer fadenscheinigen Begründung: Man wolle "den Inhabern von Inhalten entgegenkommen", hieß es in der Ankündigung des Beta-Rückzugs. ChatGPT mit Browsing war in der Lage, hinter die Paywalls der Verlage zu gelangen und ganze Artikel unverändert in den Chat zu kopieren.

Die Begründung ist insofern fadenscheinig, als die Umgehung von Paywalls das geringere Problem darstellt. Das eigentliche Problem ist, dass Chatbots wie ChatGPT potenziell einen großen Teil des Internetverkehrs für sich beanspruchen könnten, wenn Nutzer Inhalte von anderen Webseiten nur noch über den Chatbot beziehen.

Ein Problem, das OpenAI bereits bei der ersten Veröffentlichung der Browsing-Funktion anerkannt hat. Es greift auch bei Google Bard oder Bing Chat.

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ChatGPT schreibt nur noch 100-Wort-Zusammenfassungen

Tests der Browsing-Funktion zeigen, dass OpenAI seit dem Rückzug im Juli nachgebessert hat: ChatGPT gibt jetzt nur noch bis zu 100 Wörter lange Zusammenfassungen von Webtexten aus. Für weitere Informationen wird auf die Quelle verlinkt.

Dabei unterscheidet das System nicht zwischen Texten, die es eigentlich legal kopieren dürfte, etwa aus der Wikipedia oder auch aus dem OpenAI-eigenen Blog, und Texten, die unter Copyright stehen, etwa von Nachrichtenseiten. Längere Zitate aus Quellen hat das System in meinen Tests zuverlässig abgelehnt.

Ich kann keine wörtlichen Auszüge aus urheberrechtlich geschützten Texten zur Verfügung stellen, da OpenAI das Urheberrecht respektiert und einen möglichen Missbrauch des Dienstes verhindern möchte. Ich kann jedoch Zusammenfassungen zur Verfügung stellen, spezifische Fragen beantworten oder bestimmte Aspekte näher erläutern, um die von Ihnen gesuchten Informationen zu vermitteln.

OpenAI, ChatGPT

Inhalte von Webseiten, die den ChatGPT-Crawler blockieren, wie die New York Times, können im Chat nicht mehr konsumiert werden - auch nicht als Zusammenfassung.

Auf die Frage, warum es keine Wikipedia-Texte kopiert, obwohl dies legal wäre, antwortet ChatGPT, dass es darauf trainiert sei, "Informationen in zusammengefasster, umformulierter oder synthetischer Form zu vermitteln, anstatt große Textmengen Wort für Wort zu kopieren". Das System sollte "exzessive Zitate aus externen Quellen" vermeiden und die Nutzer auf die Originalquelle verweisen, um weitere Informationen zu erhalten.

Auch die Aufforderung, Texte umzuformulieren, um mögliche Urheberrechtsprobleme zu umgehen, lehnt ChatGPT ab, da dies gegen die eigenen Richtlinien verstoßen würde.

Empfehlung

Das System bietet zwar an, Fragen zum Text im Chat zu beantworten. Bei meinen Tests war ChatGPT jedoch nicht in der Lage, einfache Fragen zu Sachverhalten zu beantworten, die in der Quelle klar beschrieben sind, aber über die Zusammenfassung hinausgehen.

Beispielsweise fragte ich ChatGPT nach der Dauer der Spitzenintensität des Wirbelsturms Walaka im entsprechenden Wikipedia-Artikel. Obwohl der Text den Satz "Walaka hielt seine Spitzenintensität sechs Stunden lang aufrecht" enthält, sagte ChatGPT, dass diese Information nicht im Artikel enthalten sei.

OpenAI macht ChatGPT Copyright-konformer, aber auch weniger nützlich

Als OpenAI das ChatGPT-Browsing erstmals vorstellte, räumte das Unternehmen ein, dass es sich um eine "neue Art der Interaktion mit dem Internet" handele und es Feedback dazu begrüßen würde, wie es dennoch zur "allgemeinen Gesundheit des Ökosystems" beitragen könne.

Das neue ChatGPT-Browsing scheint der Kompromiss zu sein, den das Unternehmen mit sich selbst ausgemacht hat. Die Funktionalität liegt auf dem Niveau gängiger Suchmaschinen, die Teasertexte und manchmal kurze Absätze von Webseiten direkt in Suchmaschinen zitieren. Schon dieses Vorgehen wird zumindest von Verlagen teilweise kritisch gesehen und ist Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen. Es ist aber gängige Praxis.

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Gegenüber klassischen Suchmaschinen hat die ChatGPT-Suche jedoch einen entscheidenden Nachteil: Während Suchmaschinen relevante Ausschnitte in der Regel unverändert aus der Quelle anzeigen, schreibt ChatGPT Informationen aus der Quelle um.

Das KI-Tool macht dabei zwar meistens einen guten Job. Aber eben nicht immer.

ChatGPT-Browsing ist unzuverlässig, langsam und schwer zu kontrollieren

In den vergangenen Monaten habe ich Hunderte KI-Zusammenfassungen von Artikeln, die ich geschrieben habe, überprüft. In schätzungsweise 20 Prozent der Fälle geht die Zusammenfassung am Thema vorbei oder lässt einen wichtigen Aspekt aus. Manchmal werden Fakten falsch dargestellt.

Wenn ich die Originalquelle kenne, ist die Funktion für mich als Redakteur immer noch eine großartige Schreibhilfe, zumal ich in Sekundenschnelle mehrere Entwürfe erstellen und zwischen ihnen entscheiden kann. Das ist gut.

Aber ich würde mich nicht auf eine KI-Zusammenfassung als Informationsquelle verlassen, ohne die Originalquelle zu kennen. Wer das tut, handelt fahrlässig.

Daraus folgt jedoch, dass es keinen Grund gibt, eine KI-Zusammenfassung einem aussagekräftigen Zitat aus der Originalquelle, wie es von Suchmaschinen angeboten wird, vorzuziehen. Letzteres ist direkter und genauer.

Allein diese Unzuverlässigkeit macht ChatGPT Browsing weniger nützlich als Suchmaschinen, im Grunde sogar nutzlos. Man müsste ohnehin immer auf die Originalquelle zugreifen. Weshalb den Umweg über die KI-Zusammenfassung gehen?

Zudem habe ich weniger Kontrolle über die Auswahl der Quellen, es sei denn, ich gebe sie explizit im Prompt an, was wiederum umständlich ist. Die Quellenauswahl von Bing war zumindest bei meinen Tests bescheiden, in jedem Fall nicht so, wie ich sie getroffen hätte.

Weitere Nachteile sind geringere Transparenz und Geschwindigkeit und der lückenhafte Zugang zu Internetseiten, sollten viele Webseiten den Chatbot blockieren.

Natürlich haben Suchmaschinen ihre eigenen Probleme.

Sie sind voll von Werbung und ranken Spam-Seiten, die nur auf Profit aus sind und dafür Desinformation in Kauf nehmen. Ihre Ranking-Kriterien sind intransparent und können Personen und Angebote benachteiligen.

Aber auch ChatGPT mit Bing greift letztlich nur über einen Suchalgorithmus auf dieselben Webinhalte zu wie Google. Das Internet wird nicht auf magische Weise besser, nur weil ein Chatbot automatisch für mich auf Quellen surft, die ich nicht auswählen würde, und dann möglicherweise Sätze falsch umformuliert. Im Gegenteil, der Chatbot fügt der Informationskette nur eine weitere potenzielle Fehlerquelle hinzu.

Vielleicht können Chatbots eines Tages den Suchmaschinen Konkurrenz machen. Aus meiner Sicht ist die Search Generative Experience von Google derzeit am nächsten dran, weil es ein durchdachter Hybrid ist. Aber bei der Zuverlässigkeit und dem Urheberrecht, den beiden großen Hürden, sind wir in den letzten Monaten nicht weitergekommen.

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Zusammenfassung
  • OpenAI hat die Fähigkeit von ChatGPT, Inhalte von Webseiten zu lesen, auf Zusammenfassungen von 100 Wörtern beschränkt, um Urheberrechtsprobleme zu vermeiden.
  • ChatGPT soll nun "exzessive Zitate aus externen Quellen" vermeiden. Tests zeigen jedoch, dass ChatGPT gelegentlich ungenaue oder falsche Zusammenfassungen von Quellen ausgibt und einfache Fragen nicht beantworten kann.
  • Mit dieser Einschränkung erweisen sich herkömmliche Suchmaschinen als nützlicher und genauer als ChatGPT, da sie relevante Auszüge direkt aus der Quelle anzeigen, während ChatGPT Informationen paraphrasieren muss.
Online-Journalist Matthias ist Gründer und Herausgeber von THE DECODER. Er ist davon überzeugt, dass Künstliche Intelligenz die Beziehung zwischen Mensch und Computer grundlegend verändern wird.
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