Deepmind veröffentlicht überraschend eine Open Source-Version der eigenen Proteinfaltungsprognose-KI Alphafold 2.0. Ein Forscher-Team aus Washington bringt zeitgleich ein alternatives Berechnungsmodell, das ähnlich gute Prognosen liefert bei weniger Rechenaufwand. Beide Systeme können etwa die Entwicklung von Medikamenten beschleunigen.
Ende letzten Jahres tauschte Deepmind das Go-Brett gegen das Spiel des Lebens: Das KI-System Alphafold 2.0 kann Proteinfaltungen so gut prognostizieren, dass einige Wissenschaftler das Problem als gelöst ansehen. Das KI-System schlägt bei entsprechenden Aufgaben das eigene Vorgängermodell deutlich und ließ zum Zeitpunkt der Vorstellung alle anderen Methoden im Staub zurück.
In der Proteinfaltung stecken viele Fragen auf grundlegende Antworten des Lebens. Praktisch profitiert etwa die Medikamentenentwicklung von präziseren und schnelleren Vorhersagen bei der Proteinfaltung. Deepmind stellt erst kürzlich ein Projekt vor, bei dem Alphafold 2.0 bei der Entwicklung eines Wirkstoffs gegen tödliche Parasiten unterstützt.
Alphafold 2.0 als Open Source: KI-Beschleunigung für die Forschung
Überraschend kündigt Deepmind jetzt an, dass der Quellcode von Alphafold 2.0 als Open Source bei Github samt einer Methoden-Dokumentation verfügbar ist. Überraschend deshalb, weil in der KI-Technik enormes wirtschaftliches Potenzial steckt.
"Das ist ein aufregender Schritt, der es der wissenschaftlichen Gemeinschaft ermöglichen wird, ihre Forschung in vielen wichtigen Bereichen zu beschleunigen", sagt Google-Chef Sundar Pichai.
Nach der ersten Demonstration von Alphafold 2.0 und der Dominanz des Vorhersagemodells im Vergleich zu früheren Systemen gab es neben viel Anerkennung auch Kritk von Wissenschaftlern, da Deepmind seine Forschung bei einem Durchbruch dieser Größenordnung nicht unmittelbar öffentlich verfügbar machte. Googles KI-Schwester stellte bei der Vorstellung zwar weitere Informationen in Aussicht, blieb aber vage.
Open Source-Konkurrenz mit Geschwindigkeitsvorteil
Die zweite überraschende Wendung in der Geschichte der Proteinvorhersagemodelle ist, dass der Forscher David Baker und die Forscherin Minkyung Baek von der Universität Washington, inspiriert von Alphafold 2.0, in den letzten Monaten das Proteinprognosemodell "RoseTTAFold" entwickelten und als Open Source bei Github veröffentlichten.
Der Aufbau des Systems ist laut Baker und Baek an Alphafold 2.0 angelehnt, die Idee hatten sie nach der ersten Vorstellung des Systems durch Deepmind im November letzten Jahres. "Damals hatte ich das Gefühl, dass ich meinen Job verloren habe", sagt Baek.
Hat sie nicht: RoseTTAFold soll Proteinfaltungen "fast genauso gut" wie Alphafold 2.0 prognostizieren bei deutlich geringerem Rechenaufwand. So benötigt Deepmind laut des Forschungsteams aus Washington mehrere Grafikkarten und Tage für einzelne Vorhersagen. RoseTTAFold hingegen könne Backbone-Koordinaten für Proteine mit weniger als 400 Residuen innerhalb von zehn Minuten auf einer einzelnen RTX 2080 erzeugen.
Dass Alphafold 2.0 qualitativ noch vor RoseTTAFold liegt, führen Baker und Baek auf Deepminds Deep-Learning-Expertise und den Zugang zu mehr Rechenleistung zurück. Andererseits ist RoseTTAFold durch den geringeren Anspruch an Rechenleistung zugänglicher für Forschungseinrichtungen und sogar einzelne Wissenschaftler.
Baker und sein Team starteten im letzten Monat einen Server, auf dem Forscher eigene Proteinsequenzen eingeben und eine Prognosestruktur erhalten können. Seit dem Start des Servers wurden laut Baker mehr als 5.000 Proteine von rund 500 Personen eingereicht.
Deepmind verspricht schnelleres Alphafold
Allerdings hat auch Deepmind seit der ersten Vorstellung an seinem KI-System gearbeitet: Alphafold 2.0 soll Proteinstrukturen nun bis zu 16-mal schneller vorhersagen können.
Abhängig von der Größe des Proteins soll es Strukturen innerhalb von Minuten oder Stunden generieren können. Bei der Vorstellung im letzten Jahr und für die Aufgaben des CASP-Wettbewerbs, der ersten Machtdemonstration des Deepmind-Systems, benötigte Alphafold 2.0 zum Teil noch Tage.
Deepmind und die Forscher der Washington Universität stellen weitere Verbesserungen für ihre Systeme in Aussicht. "Wir wollen in diesem Bereich noch sehr viel mehr leisten", sagt Pushmeet Kohli, der bei Deepmind die Abteilung KI für Wissenschaft leitet.
Quelle: Nature; Titelbild: Deepmind