Der Turing-Test soll Mensch und Maschine auseinanderhalten, bis die Maschine so intelligent ist wie der Mensch. Doch was passiert, wenn die Maschine gar nicht klug antwortet - sondern nur besonders gut täuschen kann?
Wie identifiziert man ein intelligentes System? Die Antwort auf diese Frage könnte aus einer langen und kontroversen Liste notwendiger Voraussetzungen bestehen – oder mit einem Test geklärt werden. Bestanden wäre dieser Test, wenn das intelligente System dem Vergleich mit einem Menschen standhält.
Das ist die Grundidee des 1950 entworfenen Turing-Tests (Imitation Game), benannt nach seinem Erfinder Alan Turing. Ein Mensch unterhält sich über geschriebenes oder gesprochenes Wort mit einer Maschine. Erkennt der Mensch die Maschine nicht als solche, sondern verwechselt sie mit einem Menschen, ist der Test bestanden.
Wenig Intelligenz, viel Täuschung
In seinem 1950 veröffentlichten Aufsatz "Computing Machinery And Intelligence" schreibt Turing, er glaube, es werde in etwa 50 Jahren Computer geben, die in mindestens 30 Prozent der Fälle einen Interviewer in einem fünfminütigen Gespräch über ihre tatsächliche Identität täuschen könnten. Genau nach diesen Regeln werden heutige Turing-Tests durchgeführt: Bestanden hat, wer in mehr als 30 Prozent der Fälle als Mensch durchgeht.
2014 gelang es dem Computerprogramm "Eugene", den Test zu gewinnen. Eugene gab sich als 13 Jahre alter Junge aus – ein Trick, um mangelnde intellektuelle Fähigkeiten zu erklären. Allerdings sagt das Ergebnis so wenig darüber aus, ob eine Maschine wirklich denkt.
Aktuelle Teilnehmer an Turing-Tests haben also wenig mit den popkulturellen Vorbildern zu tun, wie sie etwa im Film Ex Machina gezeigt werden. Vielmehr werden Tricks angewandt, um die magischen 30 Prozent zu durchbrechen.
Täuschend echt ist echt genug
Heute sind täuschend echt wirkende KI-Gespräche in unseren Alltag gerückt. Googles Duplex funktioniert zwar nur in wenigen vorgegebenen Fällen, täuscht aber menschliche Unterhaltungen so gut vor, dass die Präsentation der Technik ethische Bedenken auslöste.
Solche KIs, die den Turing-Test bestehen können, dabei aber nicht sonderlich intelligent sind, werden wohl bald auch abseits Google Duplex Realität sein. KI-Forscher haben sich nun mit der Frage beschäftigt, wie solche, von ihnen "Sophisbots" genannten, fortschrittlichen Dialogsysteme unsere Gesellschaft beeinflussen könnten.
Das Problem bei Sophisbots: Sie könnten etwa auf soziale Medien losgelassen werden. Kombiniert mit KI-gestützter Text- und Bildgenerierung würden sie dort werben, Meinungen manipulieren oder einfach nur trollen – je nach Auftrag. Dabei wären sie schwer als Maschine zu erkennen, schließlich bestehen sie sogar den Turing-Test.
Technische und politische Antworten
Die Forscher stellen einige mögliche Lösungen vor: So könnten Software-Werkzeuge helfen, Sophisbots aufzudecken, indem sie nach typischen Mustern von KI-generierten Inhalten suchen. Ein Beispiel wäre etwa der Fake-News-Detektor Grover.
Doch langfristig sei das ein Kampf gegen Windmühlen: Der Jäger werde dem Gejagten immer nur hinterherlaufen.
Vielversprechender seien daher politische Lösungen: Weniger Anonymität in sozialen Netzwerken, Selbstverpflichtungen, etwa von Politikern, Sophisbots nicht im Wahlkampf einzusetzen, oder strafrechtliche Konsequenzen bei Täuschungsversuchen sind einige der vorgeschlagenen Ansätze, die Rechtssprechung erfordern.
Es gelte, immer auch die negativen Konsequenzen solcher Schritte zu bedenken: Anonymität im Netz schütze etwa Aktivisten vor politischer Verfolgung.
Eine der großen Fragen unserer Zeit
Es sei an der Zeit, den Lösungsprozess in Gang zu setzen, denn "Maschinen sind auf dem besten Weg, jede Form von menschlicher Kommunikation zu reproduzieren", so die Autoren. Es sei sehr wahrscheinlich, dass Sophisbots bald alltäglich seien. Wie wir in den kommenden Jahren die Realität und das Künstliche unterscheiden, sei eine der wichtigsten Fragen der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts.
Turing schloss seinen Aufsatz damals mit einem Satz ab, der auch hier passend erscheint: "Wir können nur eine kurze Distanz in die Zukunft blicken, aber dort können wir eine Menge sehen, was getan werden muss."
Quelle: Arxiv