Künstliche Intelligenz

Gesichtserkennungs-App Clearview: "Heimtückischer Eingriff in die Freiheit des Individuums"

Tomislav Bezmalinovic
Dass Urteil eines Computers ist nicht per se neutral und analytisch, sondern durch menschliche Vorgaben geprägt. Eine neue Untersuchung zur Verlässlichkeit von Gesichtserkennung untermauert das eindrucksvoll.

Nach einem Enthüllungsbericht der New York Times sieht sich das Startup Clearview AI mit Protestschreiben von Politikern und einer Sammelklage konfrontiert.

Die an US-Strafverfolgungsbehörden verkaufte Smartphone-App Clearview identifiziert Menschen anhand eines einzigen Fotos. Dafür gleicht sie das von der Polizei hochgeladene Foto mit der eigenen Gesichterbatenbank ab. Die wurde mit über drei Milliarden Bildern von Privatpersonen gefüttert, die von Internetseiten sowie aus sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter und Youtube automatisiert heruntergeladen wurden.

Als Reaktion auf den Bericht schickte Twitter eine Unterlassungsaufforderung an Clearview AI: Darin untersagt das soziale Netzwerk dem Startup, Fotos und andere Daten seiner Plattform zu nutzen und fordert es auf, alle für diese Zwecke gesammelte Informationen zu löschen, berichtet die New York Times. Twitter sowie die meisten anderen sozialen Netzwerke untersagen das sogenannte Scraping in ihren Nutzungsbedingungen.

Politiker fordern Antworten

US-Politiker haben sich ebenfalls in die Datenschutzaffäre eingeschaltet. Der demokratische Senator Edward Markey schrieb einen offenen Brief an den Startup-Gründer Hoan Ton-That. Darin fordert Markey unter anderem eine vollständige Liste aller Behörden und Privatunternehmen, die die App nutzen. Im Times-Artikel prahlte das Startup damit, dass über 600 US-Exekutivorgane die App einsetzen.

"Clearviews Produkt scheint ein besonders erschreckendes Risiko für die Privatsphäre darzustellen und ich bin zutiefst besorgt darüber, dass es auf fundamentale Weise die Erwartung der Amerikaner unterläuft, sich in der Öffentlichkeit frei zu bewegen und zu versammeln, ohne dabei identifiziert zu werden", schreibt der Senator in dem Brief.

Der Senator von Oregon Ron Wyden äußerte sich ebenfalls zum Times-Bericht und bezeichnete die Machenschaften des Startups via Twitter als "verstörend".

App wird weiterhin von der Polizei eingesetzt

Nun folgt auch die erste Reaktion von privater Seite: Ein namentlich nicht genannter US-Bürger aus Illinois rief eine Sammelklage gegen Clearview AI ins Leben, schreibt CNET.

In der Anklageschrift wird die Clearview-App als von Gier angetriebener "heimtückischer Eingriff in die Freiheiten des Individuums" bezeichnet. Der Ankläger fordert Schadensersatz, die Löschung aller privaten Daten und eine einstweilige Verfügung, die Clearview davon abhalten soll, die Geschäftstätigkeit fortzusetzen.

New Yorker Polizisten nutzen die App derweil auf Eigeninitiative weiter, obwohl sich die örtliche Polizeibehörde nach einer Prüfung wegen Sicherheitsbedenken und Missbrauchspotenzial gegen eine offizielle Nutzung entschieden hat, berichtet die New York Post. Clearview konnte der Behörde nicht sagen, wer auf von Polizisten hochgeladene Fotos Zugriff hat.

Weil die Installation unzulässiger Software auf Smartphones der Polizei nicht möglich ist, sollen die Polizisten die App mit ihren privaten Geräten nutzen, schreibt die Zeitung. Alles, was man für die Registrierung brauche, sei die offizielle E-Mail-Adresse einer Strafverfolgungsbehörde.

Titelbild: MIT, Quellen: New York Times, CNET, New York Post

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