Schwache KI könnte die Wirtschaft und Gesellschaft grundlegend verändern, starke KI die menschliche Existenz. Der bekannte Physiker Max Tegmark ist vom Potenzial der Super-Algorithmen überzeugt.
Sogenannte schwache KIs sind algorithmische Systeme, die für einen speziellen Zweck entwickelt wurden. Bekannt ist zum Beispiel Googles AlphaGo, eine KI, die darauf ausgerichtet wurde, Menschen beim Brettspiel Go zu besiegen - und dabei weit jenseits menschlicher Fähigkeiten brilliert.
Allerdings kommt die KI nicht über Go hinaus. Eine starke KI könnte das antrainierte Wissen von Go auf andere Bereiche übertragen und sich selbstständig fortentwickeln. Sie wäre der Menschheit intellektuell wohl grundsätzlich überlegen.
Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung räumt Tegmark ein, dass die KI-Wissenschaft noch keine Vorstellung davon hat, wie eine starke Künstliche Intelligenz erschaffen werden könnte. "Aber Umfragen zeigen, dass die meisten KI-Forscher die Ansicht vertreten, dass wir in einigen Jahrzehnten so weit sind", sagt Tegmark.
Daher sei es "absolut vernünftig", schon jetzt über das mit einer Superintelligenz verbundene existentielle Risiko zu sprechen: "Wenn wir Maschinen konstruieren, die schlauer sind als wir, dann gibt es keine Garantie dafür, dass wir die Kontrolle behalten werden."
Schwach bedeutet nicht wirkungslos
Schwache - oder besser spezialisierte - KI-Systeme stellten die Menschheit schon jetzt vor Herausforderungen. Tegmark nennt exemplarisch die Automatisierung am Arbeitsplatz, Internetsicherheit, Wählermanipulation und tödliche autonome Waffen. Der Physiker beteiligt sich als führender Lobbyist an einer Initiative, die ein grundsätzliches Verbot von Killer-Robotern erwirken soll.
Im Kontext des Arbeitsmarktes könne KI den menschlichen Intellekt ausstechen, so wie es der industriellen Revolution bei der Muskelkraft gelang. Wenn das passiert, gibt es laut Tegmark "keine Arbeit mehr, die wir günstiger erledigen können als Maschinen." Er empfiehlt zu Jobs, die Spontanität, Kreativität und soziale Intelligenz voraussetzen.
Tegmark fordert zur Zusammenarbeit auf: "Wir werden hart planen und arbeiten müssen, um sicherzustellen, dass wir diese mächtige Technologie weise verwenden."
Ein biologischer Körper soll keine Voraussetzung für Intelligenz sein
Einige KI-Skeptiker gehen davon aus, dass Intelligenz mehr ist als reine Mathematik und einer biologischen Körperlichkeit bedarf. Dieser Logik zufolge ist es einer KI nicht vergönnt, eine Intelligenz auf menschlichem Niveau zu entwickeln und beispielsweise kreativ Kunst zu kreieren. Diese Überzeugung ist zumindest in Deutschland in der breiten Bevölkerung vorhanden, wie eine aktuelle Umfrage der Bitkom zeigt.
Tegmark bezeichnet diese Grundhaltung als "Kohlenstoff-Chauvinismus": Für ihn sei Intelligenz "die Fähigkeit, komplexe Ziele zu erreichen". Es existiere kein physikalisches Gesetz, nach dem man nicht Maschinen konstruieren könne, die "in jeder Hinsicht intelligenter sind als wir".
Der Physiker vermutet, dass die Menschheit bislang nur einen kleinen Teil der in der Natur vorhandenen Intelligenz realisiert. KI-Forschung könne das volle Potenzial erschließen.
Mit dieser Chance vor Augen müsse die Menschheit entgegen aller Risiken Künstliche Intelligenz erforschen: "Wenn wir unsere menschliche Intelligenz verstärken können mittels Künstlicher Intelligenz und die größten Probleme von heute und morgen lösen, könnte die Menschheit erblühen wie noch nie", sagt Tegmark.