Der britische KI-Mikrochiphersteller Graphcore erwägt einen Verkauf an ausländische Eigentümer.
Wie die britische Tageszeitung The Telegraph aus Branchenkreisen erfahren haben will, führt Graphcore Gespräche mit großen Technologieunternehmen über einen möglichen Deal, um frisches Kapital zur Deckung hoher Verluste zu erhalten. Auch ein Verkauf sei möglich.
Als mögliche Käufer werden der britische Chipkonzern Arm, der japanische Technologiekonzern SoftBank und das KI-Start-up OpenAI gehandelt. Wie weit die Verkaufsgespräche gediehen sind, ist unklar, parallel könnten Gespräche über weiteres Risikokapital laufen.
Der Londoner Investmentfonds Chrysalis, der in Graphcore investiert hat, erklärte im Dezember, dass eines seiner Portfoliounternehmen in Verkaufsverhandlungen stehe. Chrysalis und ein weiterer Investor, Baillie Gifford, sollen die Bewertung ihrer eigenen Anteile an Graphcore erhöht haben, nachdem diese zuvor stark reduziert worden waren. Der Investor Sequoia habe den Wert seiner Beteiligung an dem Start-up bereits auf null abgeschrieben.
Ein Verkauf an ausländische Bieter würde wahrscheinlich von den nationalen Sicherheitsbehörden geprüft werden, da KI-Technologie als strategisch wichtig angesehen wird, so der Telegraph.
Graphcore kommt nicht gegen Nvidia an
Graphcore hat in der Vergangenheit mehr als 700 Millionen Dollar von Investoren wie Microsoft und dem Risikokapitalriesen Sequoia aus dem Silicon Valley erhalten und wurde Ende 2020 mit 2,8 Milliarden Dollar bewertet.
Das Unternehmen hat jedoch Schwierigkeiten, seine "Intelligence Processing Units" zu verkaufen, die mit den von Nvidia verkauften GPUs konkurrieren.
Im Jahr 2022 stieg der Verlust von Graphcore um 11 Prozent auf 204,6 Millionen US-Dollar, während der Umsatz von 5 Millionen US-Dollar auf 2,7 Millionen US-Dollar zurückging. Das Unternehmen gab an, bis Ende des Jahres 157 Millionen Dollar in bar zu haben und bis Mai weitere Mittel aufbringen zu müssen.
KI-Chips aus Europa
Graphcore ist ein britischer Hersteller von KI-Hardware, der 2016 gegründet wurde. Das Unternehmen produziert Chips speziell für künstliche Intelligenz und vermarktet sie als eine direkte Konkurrenz zu Nvidias DGX-Systemen.
Eines von Graphcores Hauptprodukten ist die Intelligence-Processing-Unit-Technologie (IPU), die Graphcore als weltweiten Standard für KI-Berechnungen etablieren möchte.
Ein wichtiges Produkt ist der KI-Chip Colossus Mk2 GC200 IPU, der im 7nm-Prozess hergestellt wird und mehr als 59,4 Milliarden Transistoren auf einem 823mm² großen Chip mit 1.472 separaten IPU-Kernen trägt.
Eine der zuletzt vorgestellten Innovationen von Graphcore ist die Bow-IPU, der weltweit erste Wafer-on-Wafer-Prozessor, der auf TSMCs neue Wafer-on-Wafer 3D-Technologie setzt. Dieser Prozessor verspricht eine bis zu 40 Prozent höhere Leistung bei 16 Prozent besserer Energieeffizienz.
Graphcore hat interne Benchmarks veröffentlicht, in denen seine Computing-Lösungen mit Nvidias damals schnellstem KI-Chip A100 GPU verglichen werden. In bestimmten Bereichen, wie dem Training von Googles großem KI-Sprachmodell BERT, behauptet Graphcore, seine Lösungen seien schneller als Nvidias.
Auf dem Markt konnten sich die Graphcore-Chips jedoch bisher nicht durchsetzen. Das könnte auch daran liegen, dass neben der reinen Hardware auch die Software, mit der die Hardware angesteuert wird, eine wichtige Rolle spielt. Ein Manager von Nvidia bezeichnete sein Unternehmen als "zu 80 Prozent eine Softwarefirma, die ihre eigene Hardware für das Training und die Inferenz von KI optimiert".