Silicon-Valley-Veteran Nand Mulchandani ist der neue KI-Chef des Pentagons. Er spricht über den geänderten Fokus seiner Behörde, Killerroboter und KI in China.
In der KI-Abteilung des Pentagon gibt es einen Personal- und Strategiewechsel: Nand Mulchandani ersetzt Lt. Gen. Jack Shanahan, der die Position des Direktors des Joint Artificial Intelligence Centers (JAIC) seit der Gründung im Jahr 2018 innehatte.
Anders als Shanahan ist Mulchandani kein Berufssoldat: Er verbrachte 26 Jahre damit, Startups im Silicon Valley aufzubauen. Diese Erfahrung soll Mulchandani nun einsetzen, um das Pentagon mit Künstlicher Intelligenz zu transformieren.
KI-Logistik gegen COVID-19
Schon unter Shanahan war klar: Das JAIC will die traditionellen Strukturen von Forschung, Entwicklung und Implementierung mit Startup-Flair durchbrechen. Schnelle Iterationen und Prototypen seien notwendig. In 20 Jahren könnten schließlich nur noch Algorithmen gegeneinander kämpfen, sagte Shanahan. Dieser Zeitenwende nähert man sich nicht im Behördentempo.
Der Fokus der Behörde lag bisher auf der Pflege der Ausrüstung durch Predictive Maintenance und KI-gestützter Logistik: Im April stellte das JAIC als Reaktion auf COVID-19 "Project Salus" vor. Mit etwa vierzig verschiedenen KI-Modellen hilft Salus der Nationalgarde, den Überblick über Engpässe und kritische Vorräte zu behalten.
Salus war für ein Regierungsprojekt ungewöhnlich schnell im Test-Einsatz: Innerhalb von zwei Monaten wurde aus der Idee ein funktionierender Prototyp.
Die Entscheidungsträger des Militärs seien erstaunt gewesen, sagt Mulchandani. "Sie fragten: ‚Was ist das? Das scheint sehr halbherzig zu sein.’ Wir mussten ihnen erklären, dass das die neue Welt ist und dass man sowas eben in sieben bis acht Tagen umsetzen kann."
Von der Logistik zur Kriegsführung
Knapp zwei Jahre nach der Gründung wechselt nun der Fokus des JAIC von Logistik und Wartung zur kognitiven Assistenz in der gemeinsamen Kriegsführung – also dem Sammeln, Zusammenführen und Auswerten von verschiedenen Datenströmen während einer Militäroperation.
Der bessere Informationsaustausch bei der gemeinsamen Kriegsführung – das sind militärische Operationen verschiedener Truppengattungen unter einem Kommando – ist Ziel aktueller Bemühungen des US-Verteidigungsministeriums. Das Programm trägt den Namen "Joint All-Domain Command and Control" (JADC2).
KI-Analyse soll für Informationsvorsprung sorgen
Mit JADC2 will das Verteidigungsministerium Situationsbewusstsein, schnelle Entscheidungsfindung und die Fähigkeit von KI verbessern, verschiedene Waffengattungen (Luft, Raum, Cyber, Land, See) zu lenken.
Dahinter steht die Idee, dass in künftigen Konflikten derjenige gewinnt, der einen Informationsvorsprung hat und so seinen Gegner überholen, überlisten und ausmanövrieren kann.
Schnelle Informationsverarbeitung in der Cloud soll dafür sorgen, dass mit Sensoren ausgestattete Fahr- und Flugzeuge, Munition, Satelliten, Schiffe, U-Boote und Infanteristen zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind und das richtige Ziel mit den effizientesten Mitteln bekämpfen.
Entscheidungshilfen statt Killerroboter
Projekte wie Maven, die "Joint Enterprise Defense Infrastructure Cloud" (JEDI) des US-Militärs und der neue Fokus des JAIC auf kognitive Assistenz sollen diesen Informationsvorsprung möglich machen.
KI soll die Informationsflut strukturieren und priorisieren und so Menschen helfen, Entscheidungen zu treffen. In allen Projekten würden Menschen die volle Kontrolle behalten, sagt Mulchandani. Das JAIC entwickle derzeit keine Killerroboter.
"Es stimmt, dass viele der Produkte, an denen wir arbeiten, in Waffensysteme integriert werden. Keines davon wird aktuell ein autonomes Waffensystem sein, wir werden immer noch von 3000.09 regiert", so Mulchandani. Er bezieht sich auf ein Verbot des Verteidigungsministeriums für autonome Waffen.
"Wir sind aus einer Plattform-, Technologie-, Kapazitäts-, Hardware-, Software- und Algorithmusperspektive nicht einmal ansatzweise in der Nähe [von Killerrobotern]."
Gesichtserkennung und Chinas Vorsprung
Auf Chinas breite Anwendung von Gesichtserkennung und anderer KI-Technik angesprochen, die zum Teil gegen die eigenen Bürger eingesetzt wird, macht Mulchandani klar, dass das JAIC aktuell keine KI-Kontrollsysteme entwickle.
Das US-Militär könne zwar technologisch durchaus universelle Überwachungs- und Zensursysteme entwickeln, verzichte jedoch darauf zugunsten der Bürgerrechte, die durch Verfassung und Datenschutzgesetze geschützt seien.
Via: C4ISRNET