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KI verändert den Arbeitsmarkt, das wirft Fragen auf. Die Politik braucht dringend Antworten.

"Heute ist es mir passiert", heißt ein Thread auf Reddit, in dem sich ein freiberuflicher Autor darüber beklagt, dass er gerade seinen "größten und besten" Kunden an ChatGPT verloren habe. Dieser habe ihm gesagt, dass er zwar bessere Texte schreibe als die KI, aber das Preis-Leistungs-Verhältnis von ChatGPT einfach unschlagbar sei.

"Du musst einfach besser sein"

Vielleicht seien Texter wie der anonyme Reddit-Poster einfach nicht gut genug, um mit den Texten der KI mitzuhalten, heißt es in kritischen Kommentaren. Nur ein bisschen besser zu sein, reiche nicht mehr aus.

Oder wie es der bekannte Online-Marketing-Experte Seth Godin im Dezember letzten Jahres formulierte: "Wenn Ihre Arbeit nicht nützlicher, aufschlussreicher oder dringender ist als das, was GPT in 12 Sekunden macht, sollten Sie die Leute nicht damit stören. Technologie macht die alte Arbeit einfacher, aber dann muss die neue Arbeit besser sein".

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Aber wie viel besser muss sie sein, wenn die Konkurrenz fast nichts kostet? Außerdem stehen die Systeme erst am Anfang ihrer Entwicklung. Sie können noch viel besser werden.

Und falls nicht: Wen kümmert es, wenn die Expert:innen, die Qualität in ihrem jeweiligen Feld beurteilen können, nicht mehr im Beruf sind? Gerade für Laien ist der Preis oft das wichtigste Argument.

"Ja, ich bin besser als ChatGPT. Aber, und das sage ich immer wieder, Firmen und Kunden, außer bei sehr hochwertigen Marken, interessiert das nicht. Für sie steht der Profit an erster Stelle. Gerade bei kleinen Firmen, aber auch bei Konzernen, wird immer am falschen Ende gespart." Kein Autor sei sicher, wenn er nicht zu den "besten ein Prozent" gehöre.

Der anonyme Redakteur auf Reddit zählt sich nicht dazu: "Ich habe mich gerade bei Doordash als Fahrer angemeldet. Ich wünschte, das wäre ein Witz."

"Ich wünschte, es gäbe kein GPT-4"

Dann ist da noch die Geschichte von Priya, die im Internet kursiert. Sie hat einen Bachelor in Biotechnologie und arbeitet als Kuratorin für biomedizinische Daten. Bei ihrer Arbeit durchsucht sie wissenschaftliche Artikel nach RNA-Sequenzierungsdaten, bereinigt sie und kommentiert sie.

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"GPT-4 liefert die richtige Antwort in einem Zehntel der Zeit, die Priya braucht, und kostet viel weniger", schreibt ein anonymer Mitarbeiter der Firma, bei der Priya (wahrscheinlich nicht mehr lange) angestellt ist.

Aber auch die Person, die Priyas mögliches Schicksal skizziert, hat Angst. Sie ist sich ihres Code-Jobs nicht mehr sicher: "Ich kann mir eine langfristige Karriere in der Software-Branche nicht mehr vorstellen. All meine Träume, als Software-Ingenieur gutes Geld zu verdienen, zerplatzen langsam."

Mit dieser Befürchtung ist der Autor der Geschichte nicht allein: Entwickler-Legende John Carmack berichtete kürzlich, wie er dem Code-Nachwuchs Mut macht, dass Entwicklerinnen und Entwickler auch im Zeitalter der KI noch gebraucht werden und zumindest für einige Jahre genug zu tun haben.

"Es ist wichtig, ehrlich zu sein"

Natürlich sind diese drei Fälle anekdotisch, vielleicht sogar teilweise erfunden oder dramatisiert. Aber als ich sie las, musste ich an Sam Altman denken, den CEO von OpenAI, der anlässlich der Vorstellung der Bild-KI DALL-E 2 über die möglichen Auswirkungen der maschinellen Bildverarbeitung auf den Arbeitsmarkt sinnierte.

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Er sei fest davon überzeugt, dass KI viele neue Arbeitsplätze schaffen und bestehende verbessern werde. Aber: "Es ist wichtig, ehrlich zu sein, dass sie einige Jobs immer uninteressanter machen wird (wie es Technologie oft tut)."

Nun hat DALL-E 2 den Arbeitsmarkt für Kunst und Design nicht im großen Stil umgekrempelt. Bild-KI ist bestenfalls ein nützliches kreatives Werkzeug und noch ein gutes Stück davon entfernt, menschliche Kreative überflüssig zu machen. Aber die Distanz wird kleiner.

Allein der qualitative Sprung von DALL-E 2 zu Midjourney v5 in nur einem Jahr könnte die Menschen in Kunst- und Designberufen weiter verunsichern. DALL-E 3 und GPT-5 stehen in den Startlöchern.

Mensch mit KI vs. Mensch ohne KI

Manche sagen, dass KI den Menschen nicht ersetzen wird. Stattdessen werden Menschen, die KI nutzen, Menschen ersetzen, die KI nicht nutzen.

Diese These mag stimmen, sie wirft aber weitere Fragen auf: Wie viele Menschen in wie vielen Berufen kann ein einziger KI-Arbeiter ersetzen? Ist diese Zahl groß genug, um zu einem gesellschaftlichen Problem zu werden? Und wenn ja, wie gehen wir damit um?

Diesen Fragen muss sich die Politik jetzt stellen. Es könnte sein, dass viele Menschen schon bald eine Antwort hören wollen. Die zu finden, wird nicht leicht sein: Ein einfaches Verbot wäre ein internationaler Wettbewerbsnachteil.

Und bei einer freien Nutzung ohne Rücksicht auf die Verlierer des KI-Booms könnte Priyas Beobachter recht haben, wenn er am Ende seiner Geschichte prophezeit: "Was sind die wirtschaftlichen Auswirkungen von LLMs? Ich weiß es nicht (OpenAI hat ein langes Paper zu diesem Thema veröffentlicht). Ich weiß nur, dass irgendein reicher Kerl in den USA um ein paar Millionen Dollar reicher wird und Priya ihren Job verliert."

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Zusammenfassung
  • KI-Technologien wie ChatGPT verändern den Arbeitsmarkt und bedrohen selbst hoch qualifizierte Arbeitsplätze; das Preis-Leistungs-Verhältnis und die Effizienz der KI stellen eine starke Konkurrenz für menschliche Arbeitskräfte dar.
  • Die These, dass KI den Menschen nicht ersetzt, sondern lediglich KI-gestützte Arbeitskräfte jene ohne KI ablösen, wirft Fragen nach der Anzahl betroffener Berufe und den gesellschaftlichen Auswirkungen auf.
  • Politik und Gesellschaft müssen sich diesen Fragen stellen und nachhaltige Lösungen finden, die sowohl den internationalen Wettbewerb als auch die sozialen Folgen des KI-Booms berücksichtigen.
Online-Journalist Matthias ist Gründer und Herausgeber von THE DECODER. Er ist davon überzeugt, dass Künstliche Intelligenz die Beziehung zwischen Mensch und Computer grundlegend verändern wird.
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