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Forscher scannen Facebook-Nachrichten von Freiwilligen vor deren psychiatrischer Diagnose. Anhand einer KI-Analyse erkennen sie Anzeichen für die später diagnostizierte Erkrankung.

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Schätzungen zufolge betreffen psychische Erkrankungen knapp 20 Prozent der Weltbevölkerung. Häufig haben sie dramatische Auswirkungen auf die betroffenen Personen und ihr soziales Umfeld. Psychische Erkrankungen können besser behandelt werden, wenn sie frühzeitig entdeckt werden. Oft bleiben sie jedoch über Monate oder Jahre unerkannt, bis irgendwann klinische Behandlungen notwendig sind.

Bekannt ist, dass Sprach- und andere Verhaltensweisen in den sozialen Medien Hinweise auf psychische Erkrankungen geben können. Forscher um den amerikanischen Kind- und Jugendpsychiater Michael L. Birnbaum analysierten jetzt die Facebook-Nachrichten von diagnostizierten Patienten und zeigen, dass Künstliche Intelligenz bei der Früherkennung psychischer Krankheiten helfen könnte.

Birnbaum beschreibt die Bedeutung frühzeitiger Diagnosen bei psychischen Krankheiten: "Wir verstehen heute, dass Krebs verschiedene Stadien hat", sagt Birnbaum. "Wenn wir Krebs im frühen Stadium erkennen, ist das war ganz anderes, als wenn er bereits metastasiert hat."

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Ähnliche Experimente gab es bereits von anderen Forschern, doch deren Daten für das KI-Training umfassten keine professionell diagnostizierten Patienten. Stattdessen verließen sich die Forscher auf Selbstdiagnosen oder den Depressions-Fragebogen PHQ-9.

KI erkennt Verhaltensauffälligkeiten anhand von Sprache und Bild

Das Team um Birnbaum analysierte knapp 3,4 Millionen Facebook-Nachrichten und etwa 140.000 Bilder von 223 Freiwilligen, darunter gesunde Menschen sowie Patienten mit Schizophrenie und mit affektiven Störungen wie Depressionen. Alle Daten stammen vor dem Datum der Erstdiagnose der Patienten und reichen bis 18 Monate vor dieses Datum zurück.

Die Diagnose-KI wurde anschließend mit diesen Daten darauf trainiert, erkrankte und gesunde Menschen auseinanderzuhalten. Sie erreichte nach dem Training eine Genauigkeit, die mit der des PHQ-9-Fragebogens vergleichbar ist. Durch die KI-Analyse können die Forscher außerdem Aussagen über mögliche Hinweise im Verhalten treffen, die eine Frühdiagnose einer psychischen Erkrankung ermöglichen.

Depressive posten kleinere und blauere Bilder

So nutzten Schizophrenie-Patienten in ihren Facebook-Nachrichten häufiger Wahrnehmungswörter wie hören, sehen, fühlen und beschrieben häufiger negative Gefühle. Die KI stellte außerdem bei allen Diagnosen eine häufigere Verwendung von Schimpfwörtern fest. Patienten mit affektiven Störungen verwendeten häufiger Wörter, die mit biologischen Prozessen verknüpft sind wie Blut oder Schmerzen.

Die Höhe und Breite geposteter Bilder von Patienten beider Gruppen war im Schnitt kleiner oder kürzer als die von gesunden Menschen. Die Bilder von Patienten mit affektiven Störungen wiesen mehr Blau- und weniger Gelbtöne auf.

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Kurz vor dem Krankenhausaufenthalt und einer klinischen Diagnose nahm die Verwendung von Interpunktion und Schimpfwörtern in beiden Patientengruppen zu. Patienten mit affektiven Störungen verwendeten mehr Wörter, die negative Emotionen beschreiben.

KI-Analyse in Social Media ist die "Röntgenaufnahme für den Geist"

Ihre Untersuchung zeige, dass die KI-Analyse von Social-Media-Nachrichten ein wichtiger Bestandteil der professionellen Diagnose psychischer Krankheiten sein könne, schreiben die Forscher.

Birnbaum hofft, dass die Analyse von Social-Media-Daten in den nächsten fünf bis zehn Jahren normaler Bestandteil der psychologischen Praxis wird: "Das wird unsere Röntgenaufnahme für den Geist werden. Es wird unser Bluttest sein, um die Diagnose und empfohlene Maßnahmen zu unterstützen."

Die Analyse der Nachrichten erlaube einen ungefilterten Einblick in den mentalen Zustand des Patienten. Nach der Diagnose könne die Analyse auch helfen, die langfristige Behandlung zu begleiten.

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Die Forscher warnen jedoch vor dem Missbrauch der KI-Analyse: Die Frage, wie digitale Patientendaten effektiv und ethisch vertretbar in einen klinischen Arbeitsablauf integriert werden können, sei wichtig und bisher ungelöst.

Das Potenzial, relevante klinische Erkenntnisse zu gewinnen, könnte digitale Akteure motivieren, Online-Aktivitäten von Menschen ohne Zustimmung zu sammeln und zu analysieren. Alle Beteiligten müssten daher Standards entwickeln, die die Vertraulichkeit und Rechte der sensiblen Bevölkerungsgruppe schützen und den Missbrauch von persönlichen Daten verhindern sollen.

Es brauche interdisziplinäre Teams aus Forschern, Medizinern und Patienten, um sicherzustellen, dass "neue Technologien für positive Ergebnisse eingesetzt werden".

Via: PubMed, Nature, Wired

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Max ist leitender Redakteur bei THE DECODER. Als studierter Philosoph beschäftigt er sich mit dem Bewusstsein, KI und der Frage, ob Maschinen wirklich denken können oder nur so tun als ob.
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