Der US-Medienkritiker Jeff Jarvis warnt vor den Folgen exklusiver KI-Partnerschaften zwischen Tech-Konzernen und großen Verlagen. Diese Deals würden kleinere Publikationen ausschließen und den Journalismus grundlegend gefährden.
"Das ist Schwachsinn", sagt der renommierte US-Medienkritiker Jeff Jarvis im Gespräch mit dem Fachmagazin "journalist" über die jüngsten Lizenzvereinbarungen zwischen KI-Unternehmen und Medienkonzernen. Die Tech-Konzerne kauften sich "lediglich das Schweigen dieser Verlage, wenn es um Rechtsstreitigkeiten und Gesetzgebung geht."
Meta hat kürzlich einen mehrjährigen Vertrag mit Reuters für seinen KI-Chatbot "Meta AI" abgeschlossen. OpenAI sicherte sich bereits Zugang zu Inhalten von News Corp, Vox Media, The Atlantic, TIME, der Financial Times und vielen mehr. Auch Apple soll mit Verlagen sprechen.
Kleine Medien bleiben außen vor
Der Medienkritiker sieht in dieser Entwicklung insbesondere ein Problem für kleinere Publikationen: "Die Deals werden nur mit den großen Medienhäusern geschlossen. Die Mehrheit der Medien, insbesondere lokale und unabhängige Medien, bleiben dann außen vor", warnt Jarvis. Diese hätten keinen Zugang zu KI und würden von KI-Anwendungen nicht gefunden, was ein "großes Problem" darstelle.
Jarvis argumentiert zudem wie die KI-Unternehmen, dass das Training von KI-Systemen mit Medieninhalten unter die "Fair Use"-Regel fallen sollte, also die angemessene Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke. Demnach würde das Training von KI keine Verletzung der Rechte von Urhebern darstellen.
"Auch wir Journalisten rezipieren schon immer die Arbeit anderer, wir lernen von der Arbeit anderer, wir verwenden Fakten aus der Arbeit anderer, da man Fakten ja nicht urheberrechtlich schützen kann", sagt Jarvis.
Medienunternehmen sollten daher neue Wege finden, KI selbst für neue Geschäftsideen zu nutzen, aber auch mit KI-Unternehmen zusammenzuarbeiten, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Sie könnten beispielsweise eine gemeinsame Nachrichten-API entwickeln und KI-Anbietern zur Verfügung stellen.
Journalismus ist mehr als nur "Content"
"Wir stehen am Ende des Zeitalters der Massenmedien, und das macht den Massenmedien eine Heidenangst", sagt Jarvis. Um im Zeitalter der KI bestehen zu können, müssten Journalisten radikal umdenken.
"Das Content-Geschäft läuft für den Journalismus immer bescheidener, weil KI vor allem eines kann: am laufenden Band unendlich viele Inhalte erstellen", sagt Jarvis.
Er warnt davor, dass KI "das Web völlig ruinieren" werde, indem sie es mit "Mist zumüllt". Für guten Journalismus werde es dadurch deutlich schwerer, im Internet gefunden zu werden.
Statt sich rein auf Informationen und Fakten zu konzentrieren, plädiert der Medienkritiker für einen "Zugehörigkeitsjournalismus". Redaktionen könnten sich als Dienstleister für bestimmte Communitys verstehen und maßgeschneiderte Informationen und Services entwickeln.
Lokale journalistische Angebote könnten hier beispielsweise von KI profitieren: "Wir haben einfach nicht genug Journalisten, um über jedes lokale Treffen zu berichten, das in ihrem Verbreitungsgebiet stattfindet."
Kritik an den "KI-Jungs"
Besonders kritisch sieht Jarvis die Ideologien führender KI-Unternehmer. "Ich mache mir keine Sorgen um die Technologie. Ich mache mir vor allem Sorgen um diese KI-Jungs", sagt er. Namentlich nennt er Sam Altman, Peter Thiel, Elon Musk, Nick Bostrom, Max Tegmark und William MacAskill.
Er bezeichnet diese Gruppe als "Untergangspropheten", die sich so mächtig fühlten, dass sie allein die Regeln für die Zukunft der Menschheit schreiben könnten. Dafür würden sie viel Geld verlangen. Ideologien wie Transhumanismus, Extropianismus oder Longtermismus, denen manche KI-Entwickler anhängen, seien "gefährlich".
OpenAI CEO Sam Altman zog mindestens zweimal religiöse Vergleiche zu seiner Arbeit. Er fühle sich bei seiner Arbeit "auf der Seite der Engel", und das Ziel von OpenAI sei es, "magische Intelligenz im Himmel" zu entwickeln, so Altman.