Wie antwortet der Suchmaschinenriese Google auf eine vermeintliche Geschäftsbedrohung durch OpenAIs ChatGPT? Vorerst gar nicht, wie es aussieht. Es besteht auch kein Grund zur Eile.
Mitunter wird in diesen Tagen geschrieben, ChatGPT könne so etwas wie ein Google-Killer werden, die nächste Generation der Internetsuche.
Oberflächlich betrachtet gibt es einen triftigen Grund für diese Annahme: Letztlich liefern beide Systeme Antworten auf Fragen, die man in ein Textfenster eingibt. ChatGPT ist noch bequemer, man bekommt die Antwort direkt geliefert und muss sich nicht erst durch Anzeigen und Webseiten klicken.
Doch denkt man etwas weiter, gibt es mehr Gründe, die gegen eine unmittelbare Bedrohung der Google-Suche durch ChatGPT sprechen. Hervorstechend sind die eingeschränkte Aktualität und Verlässlichkeit in Kombination mit fehlender Quellen-Transparenz. Selbst OpenAI-Mitgründer Sam Altman rät davon ab, die Informationen aus ChatGPT für wichtige Themen einzuplanen.
Google hatte die Antwort auf ChatGPT schon vor ChatGPT
Mal ganz davon abgesehen, dass Google selbst seit Jahren an KI-Technik für die Suche arbeitet und sie bereits einsetzt. Kein anderes Unternehmen dürfte die Vor- und Nachteile großer Sprachmodelle im Kontext der Internetsuche so intensiv erforscht haben wie Google selbst. Das Unternehmen zeigte schon im Mai 2021 dialogbasierte Such-Demos mit LaMDA, die ChatGPT-Funktionen entsprechen.
In einem internen Meeting adressierten Alphabet CEO Sundar Pichai und Googles KI-Chef Jeff Dean jetzt die Popularität von ChatGPT und mögliche Auswirkungen auf das eigene Geschäft vor Google-Angestellten.
Demnach seien die eigenen KI-Modelle wie PaLM (vs. GPT-3) und LaMDA (vs. ChatGPT) ebenso leistungsfähig wie jene von OpenAI. Das geht auch aus den wissenschaftlichen Arbeiten zu den Systemen hervor.
Doch bislang entschied sich Google stets aus Gründen fehlender Verlässlichkeit und sozialer Verzerrungen gegen die Veröffentlichung der Modelle. Pichai und Dean bestätigen diese Haltung erneut: Google müsse wegen möglicher Image-Schäden konservativer agieren als ein Start-up wie OpenAI.
"Wir möchten diese Technologien auf jeden Fall in echte Produkte einführen und in Bereiche, in denen das Sprachmodell eine größere Rolle spielt als im Verborgenen, wo wir sie bisher eingesetzt haben", sagt Dean.
Laut Pichai hat Google für 2023 "eine Menge" für KI-Sprachfunktionen geplant. Das kommende Jahr sei ein Wendepunkt für dialogbasierte KI und KI in der Suche. Google müsse dabei mutig und zugleich verantwortungsvoll agieren.
Natürlich hat Google noch weitere triftige Gründe, es nicht zu eilig zu haben mit neuen Formen der Internetsuche. Die aktuelle Google Suche wächst noch immer, wenn auch langsamer, und druckt Geld. Dieses Geschäftsmodell müsste Google torpedieren, und wird das wohl erst tun, wenn es eine ähnlich lukrative Monetarisierungsstrategie für Chatbots findet oder von anderen Marktteilnehmern zu Innovation gezwungen wird.
ChatGPT mit Internetverbindung wäre ein Copyright-Moloch
Zudem würde Google mit neuen Copyright-Fragen konfrontiert, wenn es in einem Chatbot aktuelle Informationen verwendet und dafür (keine) Quellen nennt.
ChatGPTs Limitierungen im Kontext der Suche wären womöglich durch eine kombinierte Internetsuche überwindbar, das zeigt unter anderem eine Chatbot-Demo der Google-Schwester Deepmind.
Doch diese Internetverbindung brächte neue Herausforderungen: OpenAI bräuchte eine mächtige Suchmaschine hinter ChatGPT, hier könnte Business-Partner Microsoft mit Bing helfen, aber dann wäre ein Copyright-Streit für OpenAI wohl vorprogrammiert.
Ein ChatGPT oder ein GoogleGPT, das sich in Echtzeit aktuelle Informationen aus dem Internet zieht und innerhalb des eigenen Interfaces zu neuen Antworten zusammenstellt, wäre eine reine No-Click-Suche. Es ist unwahrscheinlich, dass etwa Publisher freiwillig kostenlos ihre Inhalte für diesen Zweck zur Verfügung stellen.
In einigen Ländern liegt Google seit Jahren mit Verlagen im Clinch - und das nur wegen kurzer Textzitate oder Überschriften in den Google-Suchergebnissen, die noch dazu auf die Webseiten der Verlage verweisen. Natürlich gibt es alternative Quellen für Nachrichten, die aber wiederum aufwendiger in der Verifizierung wären.