Kann Künstliche Intelligenz etwas erfinden? Und kann sie ein Patent anmelden? Ein erster Präzedenzfall könnte das entscheiden.
Diese Woche flatterten zwei scheinbar unbedeutende Patente in die Patentämter der USA, EU und des Vereinigten Königreichs: ein Aufbewahrungsbehälter für Lebensmittel und eine Notfall-Lampe.
Doch es ist nicht ihr Inhalt, der sie besonders macht – es ist ihre Entstehung. Es sind die ersten Patentanmeldungen, die maschinelle Erfindungen enthalten.
Erfinder-KI hat vorher gemalt
Erfunden hat sie eine Künstliche Intelligenz namens Dabus ("Device for the autonomous bootstrapping of unified sentience"). In Dabus arbeiten zwei Netzwerke zusammen: Das erste generiert neue Inhalte, das zweite bewertet diese nach Neuartigkeit. Bisher schuf Dabus vor allem surreale Kunst.
Die Struktur erinnert nicht nur zufällig an GAN-Netzwerke hinter Deepfakes: Dabus-Erfinder Dr. Stephen Thaler experimentiert bereits seit den 90ern mit ähnlichen Netzwerk-Architekturen.
Mit zwei Monaten Training formte Thaler die Kunst- in eine Erfinder-KI um. Über den genauen Trainingsprozess ist nichts bekannt.
Wem gehört eine KI-Erfindung?
Mit den nun eingereichten Patenten erhoffen sich Thaler und eine Reihe von Rechtsprofessoren die Klärung einer unvermeidbaren Frage: Wenn eine KI etwas erfindet, wem gehört diese Erfindung?
Die Position der Patentämter ist: Innovationen gehören ihren menschlichen Erfindern. Doch wie lässt sich das mit KI-generierten Erfindungen vereinbaren?
Diese Unklarheit könnten dazu führen, dass Patentämter keinerlei geistige Eigentumsrechte für KI-Erfindungen übertragen, befürchtet die Gruppe um Thaler.
"Das Patentamt könnte sagen: ‚Wenn sie niemanden haben, der traditionell die Kriterien eines menschlichen Erfinders erfüllt, gibt es nichts, worauf sie ein Patent bekommen können‘", so der beteiligte Rechtsprofessor Ryan Abbott gegenüber BBC. "Dann wird in der Zukunft, in der wir mit KI Dinge erfinden, unser System für geistigen Eigentum versagen."
Fehlende Patentvergabe könnte Innovationen ausbremsen
Aktuell hat Thaler keinen Rechtsanspruch auf die von ihm eingereichten KI-generierten Patente. Dieser unklare Status könne Unternehmen und Forscher daran hindern, an Erfinder-KIs zu arbeiten, befürchtet die Gruppe. Die Folge: KI-Erfindungen würden verzögert, der durch KI mögliche Fortschritt aufgehalten.
Die Juristen schlagen eine Lösung vor: Dabus als Erfinder akzeptieren und die Rechte an der Erfindung an denjenigen übertragen, der die KI entwickelt hat. Aktuell lassen die Patentämter der EU und des Vereinigten Königreichs nur natürliche Personen zu, im US-Patentrecht wird ähnlich von "Individuen" gesprochen.
Das europäische Patentamt ist sich der durch KI-Erfindungen entstehenden Problematik bewusst, aber warnt vor vorschnellen Entscheidungen: "Der aktuelle Stand der technologischen Entwicklung deutet darauf hin, dass KI auf absehbare Zeit ein Werkzeug ist, das von einem menschlichen Erfinder verwendet wird", sagt eine Sprecherin der EU-Behörde der BBC. Änderungen am Patentrecht hätten Auswirkungen, die weit über dieses hinausgehen, etwa auf das Urheberrecht, zivilrechtliche Haftung und den Datenschutz.
Professor Abbott lässt sich davon nicht entmutigen: Am Donnerstag sollen die Patentanträge auch bei der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) eingehen. Eine schnelle Entscheidung solle man allerdings nicht erwarten, so Abbott. Sie könne bis Mitte der 2020er auf sich warten lassen, schätzt der Professor.
Quelle: Financial Times