Facebooks KI-Chef Yann LeCun meldet sich zur Deepmind-Situation zu Wort - und verteidigt Alphabets Position: Deepmind habe Alphabet abseits guter PR bislang kaum einen messbaren Return on Investment gebracht, auch wenn das Unternehmen gute Forschung betreibe.
"Google gibt mehrere 100 Millionen pro Jahr für Deepmind aus, für ein (vages) Versprechen eines langfristigen KI-Durchbruchs. Aber DeepMind hat sich etwas von Google abgegrenzt, tut wenig in Sachen Technologietransfer und hält sogar seine Codebasis vor Google-Ingenieuren geheim (Deepminds Gebäude sind für Nicht-Deepmind-Google-Mitarbeiter tabu)", schreibt LeCun.
Ein Forschungslabor müsse zwar möglichst frei, langfristig und unabhängig agieren, um wissenschaftliche Durchbrüche zu erzielen. Aber nur durch die Einbettung in eine größere Organisation mit Forschung und Entwicklung könnte Nutzen aus diesen Durchbrüchen gewonnen werden.
Die Zukunft von Deepmind hat laut LeCun viele offene Fragen: "Was bedeutet das alles für die Zukunft von Deepmind? Status quo? Engere Integration in die Google-Forschung? Mehr Druck, anwendbare Ergebnisse zu produzieren? Verkleinerung? Ausgliederung?" Unter anderem stehe Deepmind in Konkurrenz mit Googles eigener KI-Abteilung Google Brain.
Ursprünglicher Artikel vom 22. Mai:
Googles KI-Schwester Deepmind möchte unabhängiger werden vom Mutterkonzern Alphabet. Doch der soll seine wertvollste KI-Investition nicht vom Haken lassen wollen: Entsprechende Verhandlungen soll Alphabet jetzt beendet haben.
2014 übernahm Google für rund 440 Millionen US-Dollar das vielversprechende KI-Start-up Deepmind. Dieser Investition folgten seitdem viele weitere: Deepmind macht seit Jahren Verluste in Milliardenhöhe. Erst kürzlich gab Alphabet einen weiteren Kredit in Höhe von umgerechnet 1,2 Milliarden Euro an Deepmind aus.
Sollte sich das Potenzial von Künstlicher Intelligenz allerdings so entfalten und kommerzialisieren lassen, wie es Alphabets Vision vorsieht, dann wäre Deepmind trotz dieser Investitionen noch immer ein Schnäppchen: Allein Alphafold 2.0, ein KI-System, das die Faltung von Proteinen deutlich besser als jedes bisher existierende System voraussagt, könnte den Werdegang der Menschheit verändern. Die Wertschöpfung einer generellen KI (Erklärung), die große Vision von Deepmind, wäre ohnehin unermesslich.
Deepmind will sich aus der Konzernkontrolle lösen - Alphabet lässt es nicht zu
Jetzt berichtet das Wall Street Journal, dass Alphabet seit 2015 andauernde Gespräche für eine stärkere Unabhängigkeit von Deepmind vom Mutterkonzern beendet hat. Deepmind-Mitgründer Demis Hassabis soll diese Entscheidung Ende April den eigenen Angestellten mitgeteilt haben.
Die Gründer von Deepmind sollen unter anderem vorgeschlagen haben, Deepmind mit einer rechtlichen Struktur ähnlich einer Non-Profit-Organisation neu aufzustellen. Hintergrund dieses Vorschlags soll gewesen sein, dass Deepminds Entscheider verhindern wollen, dass ein einzelnes Unternehmen - also Alphabet - die Kontrolle über die mächtige KI hat, die bei Deepmind entstehen könnte.
Auch Deepmind-Mitbewerber OpenAI operiert teilweise in einer Non-Profit-Struktur, geht aber dennoch wirtschaftliche Kooperationen beispielsweise mit Microsoft ein. Alphabet soll allerdings wegen der eigenen massiven Investitionen in Deepmind ähnliche Konzepte abgelehnt haben.
Ein weiterer Anlass für Unstimmigkeiten zwischen den beiden Unternehmen könnte sein, dass Deepmind lieber forschen möchte, während Alphabet als börsennotierter Konzern stärker auf die Kommerzialisierbarkeit von KI-Forschungsergebnissen achten muss.
KI-Ethik: Deepmind hat Mitspracherecht
Deepminds KI-Projekte sollen laut dem Wall Street Journal zukünftig von einem Ethikrat bewertet werden, in dem hauptsächlich Google-Entscheider sitzen. Deepmind-Mitgründer Mustafa Suleyman sowie Deepmind-COO Lila Ibrahim sollen diesem Ethikrat ebenfalls angehören.
Schon zuvor wurde bekannt, dass es einen Ethik-Ausschuss speziell für den Umgang mit einer Super-KI geben soll. Die drei Deepmind-Gründer Demis Hassabis, Shane Legg und Mustafa Suleyman sollen in diesem Ausschuss sitzen, die weiteren Mitglieder sind nicht bekannt.
Bei der Übernahme durch Google 2014 ließ sich Deepmind außerdem zusichern, dass die eigene KI-Technik nicht fürs Militär oder die Überwachung eingesetzt werden darf. Das ist allerdings keine Garantie, dass Deepminds technologische Ansätze über Umwege nicht dennoch in ethisch kritischen Szenarien zum Einsatz kommen: Ende 2020 nutzte die US Air Force Deepminds mächtiges KI-System MuZero für die Bedienung des Radarsystems während eines militärischen Testflugs. Die Air Force adaptierte eine im Netz frei verfügbare Open-Source-Variante von MuZero für die Entwicklung einer eigenen KI-Steuerung.
Titelbild: George Gillams bei Flickr, lizenziert nach CC BY-SA 2.0