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Was machte Künstliche Intelligenz in den letzten zehn Jahren so spannend? Und wo wird KI uns 2020 hinführen? Vom Aufstieg Künstlicher Intelligenz und dem, was kommen könnte.

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Das Jahr 2019 brachte eine ganze Reihe an (werbe)wirksamen KI-Anwendungen, echten Fortschritten und konsequenten Weiterentwicklungen. Es ist auch das Ende einer Dekade der Digitalisierung und des Aufstiegs Künstlicher Intelligenz. Was in dieser Dekade geschah und was im nächsten Jahr passieren wird, habe ich in diesem Artikel zusammengefasst.

Der Aufstieg von Big Data: Mobiles Internet, Smartphones und Daten

2010 gab es Google, Facebook, Wikipedia und Smartphones. Das erste iPhone wurde drei Jahre alt und das Internet wanderte vom Schreibtisch in die Hosentasche. Mit dem Smartphone und dem mobilen Netz begann der Siegeszug der Datensammler: Soziale Netzwerke, mobile Apps oder das Internet der Dinge – alle tragen zu Big Data bei.

2009 veröffentlichte Google eine wissenschaftliche Arbeit mit dem Titel "The Unreasonable Effectiveness of Data": Es kann als Gründungsdokument der Big-Data-Bewegung gesehen werden. Darin zeigen die Autoren, wie Computer aus riesigen Datenmengen ein Verständnis für Sprache entwickeln können. Google verbessert mit dieser Methode die eigene Suchmaschine.

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Die breite Verfügbarkeit von Daten jeder Art und steigende Rechenleistung speziell in der Cloud ermöglichten den Aufstieg des maschinellen Lernens. Ein Verfahren der KI-Forschung, das schon lange existiert, aber aufgrund technischer Restriktionen brach lag.

Computer lernen sehen: Computer Vision

Das maschinelle Lernen mit tiefen künstlichen neuronalen Netzen treibt den KI-Boom an. 2012 zeigen Forscher, dass neuronale Netze dank Deep Learning Sprache verstehen und Katzen erkennen können.

2012 kommt auch der Durchbruch für Bildanalyse-KIs: Eine Deep-Learning-basierte KI erkennt Bilder im ImageNet-Wettbewerb wie keine andere zuvor. Der "ImageNet-Durchbruch" zeigt endgültig, wie vielversprechend das Deep Learning für maschinelle Lernaufgaben ist.

Seit dem ImageNet-Moment ganz es große Fortschritte bei KI.
Seit dem ImageNet-Moment gab es große Fortschritte bei KI.

Die aus diesen Entwicklungen resultierenden KI-Anwendungen sind vielfältig und heutzutage weit verbreitet: Bildanalyse-KIs steuern Staubsaugroboter durch Wohnungen, entsperren Smartphones, erkennen in ersten klinischen Studien Krebs-, Augen- und Hautkrankheiten, überwachen Baustellen, schauen durch Wände und identifizieren Gesichter durch Überwachungskameras.

Die kontrovers diskutierte Überwachungsthematik zeigt die dunkle Seite des KI-Booms: Die KI-gestützte Überwachung ist 2019 weltweit auf dem Vormarsch.

Empfehlung

China steht an der Spitze dieser Entwicklung und setzt die Technologie für die Überwachung der eigenen Bürger ein. In den USA gibt es erste Gegenbewegungen: Einige Städte, etwa die Technologiehochburg San Francisco, verbieten Gesichtserkennung als behördliches Überwachungswerkzeug.

Halt' mal das Lenkrad: Autonomes Fahren

2010 stellt Google sein Google Driverless Car Projekt vor (seit 2016 Waymo). Neue und alte Spieler betreten das Feld: Daimler, Volvo, Apple, Uber, Lyft, Argo und Nvidia arbeiten am autonomen Fahren.

2013 spricht Teslas Elon Musk erstmals über den firmeneigenen Autopiloten. 2014 wird die erste Version von Teslas KI-Software veröffentlicht und seither kontinuierlich verbessert.

2019 testen alle großen Hersteller ihre Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen. Im April kündigt Tesla an, 2020 alle kompatiblen Modelle mit einem "Full Self Driving"-Update auszustatten. Im November schickt Waymo die ersten fahrerlosen Robotertaxis nach Phoenix, Arizona, wo der Konzern seit 2016 seine selbstfahrenden Autos testet.

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Die Maschine spielt Spiele – zur Verzweiflung der Menschheit

2014 kauft Google die bis dahin relativ unbekannte KI-Schmiede Deepmind für einen rückblickend absurden Schnäppchenpreis: Gerade mal eine halbe Milliarde US-Dollar musste Google überweisen.

Deepmind könnte sich als eine der lukrativsten Investitionen in Googles Firmengeschichte erweisen – auch wenn die KI-Abteilung seitdem weitere Milliarden verschlungen hat, ohne unmittelbar zum Umsatz beizutragen.

Denn mit Deepmind beginnt der Siegeszug der KI-Trainingsmethode bestärkendes Lernen: Eine Künstliche Intelligenz lernt mit oder ohne menschliche Vorlage nach einem einfachen Belohnungsprinzip. Das funktioniert sogar, wenn die Maschine nur mit sich selbst trainiert.

2015 nutzt Deepmind das Verfahren, um eine KI 49 Atari-Klassiker auf menschlichem Niveau spielen zu lassen. 2016 schlägt Deepminds AlphaGo schon Lee Sedol, den besten Go-Spieler der Welt.

Dann folgt eine maschinelle Machtdemonstration: AlphaGos Nachfolge-KI AlphaZero schlägt 2017 ihre Vorgängerin in 100 von 100 Spielen – ohne dafür auch nur ein einziges menschliches Spiel analysiert zu haben.

Lee Sedol verlor gegen Deepminds AlphaGo-KI. Jetzt will er ganz mit Profi-Spielen aufhören.
Der Go-Profispieler Lee Sedol verlor gegen Deepminds AlphaGo-KI. Jetzt will er seine Go-Karriere deshalb aufgeben: Die Maschine ist nicht mehr zu schlagen, glaubt Sedol. Bild: Deepmind

Die KIs Libratus und DeepStack schlagen 2017 erstmals Pokerprofis im Eins gegen Eins. 2018 nutzt OpenAI bestärkendes Lernen, um das komplexe Computer-Strategiespiel Dota 2 zu dominieren - und zwar derart, dass selbst die talentiertesten menschlichen Spieler im direkten Duell chancenlos sind.

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2019 investieren KI-Unternehmen weiter in bestärkendes Lernen: Deepminds Alphastar dominiert in Starcraft 2, MuZero lernt Spielregeln selbstständig und schlägt AlphaZero und Facebooks Poker-KI Pluribus räumt in Texas Hold’em gegen fünf Poker-Profis auf einmal auf.

Go-Champion Lee Sedol sieht derweil kein Land mehr und gibt seine Go-Karriere auf – "KI ist unbesiegbar", sagt er.

Deepminds Alphastar schlug mehrere Profispieler im Strategie-Titel Starcraft 2.
Deepminds Alphastar schlägt Profispieler im komplexen PC-Strategiespiel Starcraft 2. Bild: Blizzard

GAN-KIs und Deepfakes

2014 betritt eine weitere einflussreiche KI-Technologie die Bühne: sogenannte Generative Adversarial Networks (GANs). Sie sind auf die glaubhafte Manipulation von Fotos und Videos spezialisiert.

GANs generieren 2014 erste menschliche Gesichter. Die Technologie entwickelt sich in den nächsten Jahren rasant.

Dann folgt ein kontroverser Höhepunkt der jüngeren KI-Geschichte: Ende 2017 tauchen bei Reddit KI-gefälschte Pornos auf – sogenannte Deepfakes, benannt nach dem Nutzernamen ihres Erschaffers.

In Deepfake-Pornos werden die Gesichter der Darstellerinnen glaubhaft gegen die Gesichter meist berühmter Frauen getauscht. Die KI-Fake-Pornos generieren unzählige Schlagzeilen: GANs werden über Nacht berühmt.

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2018 steigt die Anzahl an Deepfake-Videos auf YouTube rasant. Längst benutzen nicht mehr nur Pornofälscher die Technologie. GANs werden zu einem mächtigen Werkzeug im Kreativbaukasten vieler Tech-Künstler: Sie produzieren KI-Musik, -Fake-Stimmen oder -Gemälde.

Eines davon wird 2018 als erste KI-Kunst vom Auktionshaus Christie’s für 432.000 US-Dollar versteigert. GANs skalieren sogar alte Retro-Videospiele in das HD-Zeitalter und das ohne menschliches Zutun.

Deepfakes: Sylvester Stallone ersetzt Arnold Schwarzenegger im Terminator
Sylvester Stallone ersetzt Arnold Schwarzenegger im Terminator - Deepfakes machen es möglich. Bild: Ctrl Shift Face

KI als Kreativwerkzeug – der Trend setzt sich 2019 fort, zum Beispiel für Hollywood-Deepfakes: Auf YouTube spielt plötzlich Tom Selleck den Indiana Jones statt Harrison Ford. Oder Sylvester Stallone ersetzt Arnold Schwarzenegger als Terminator.

Trotz dieses Kreativanspruchs sind Deepfakes weiter auch eine Bedrohung, gerade für Frauen: 96 Prozent der Deepfake-Videos zeigen pornografische Inhalte. Die Menschen, die in diese Pornos eingefügt werden, haben für gewöhnlich keine Zustimmung gegeben - auch wenn eine US-Firma sogar personalisierte KI-Pornos anbietet.

Chance und Gefahr: KI wird einfacher

Die von Experten befürchtete Deepfake-Schwemme ist bisher ausgeblieben. Dennoch warnen einige KI-Experten und Politiker vor den Gefahren KI-manipulierter Bilder im Wahlkampf.

Diese Gefahr zeigte sich in diesem Jahr schon: Kriminelle nutzten Fake-Stimmen, um Millionen zu erbeuten und Spione setzten auf Fake-Fotos bei LinkedIn für authentischere Profile. Facebook löschte ein Netzwerk voller Fake-Accounts mit KI-generierten Profilfotos.

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Frau Katie Jones ist nur ein KI-generiertes Gesicht. Bild: Screenshot
Frau Katie Jones ist nur ein KI-generiertes Gesicht. Bild: Screenshot

2019 werden GANs in einfach zu bedienende KI-Werkzeuge eingesetzt: OpenAIs MuseNet mixt Lady Gaga und Mozart. Nvidias GauGAN malt Landschaften wie ein Profi. Und es gibt die ersten KI-Patentanmeldungen, die eine grundlegende Frage aufwerfen: Wem gehört die Erfindung einer Künstlichen Intelligenz?

Well, hello there: Sprach-KIs

Maschinen, die Sprache verstehen und sie benutzen, sind so alt wie die KI-Forschung. Der erste Chatbot Eliza entstand bereits 1966. Doch die großen Durchbrüche kamen erst in der letzten Dekade – angetrieben von maschinellem Lernen.

2010 zeigt Google, wie Computer dank vieler Daten ein rudimentäres Sprachverständnis entwickeln können. 2011 gewinnt IBMs Watson in der amerikanischen Quizsendung Jeopardy! gegen die zwei besten Spieler der Sendung.

Ebenfalls 2011 beginnt die Ära der digitalen Assistenten: Apples Siri wird im Oktober vorgestellt. Heute gibt es kein Smartphone mehr ohne KI-Assistenten, Smartspeaker stehen in Küchen und Kinderzimmern. Amazons Alexa und Googles Assistant führen den Markt an und machten in den letzten Jahren bedeutende Forschritte.

Seit Ende 2018 deutet sich ein weiterer Entwicklungsschub für Sprach-KIs an: Vortrainierte Sprachmodelle wie ELMo, ULMFiT und OpenAIs Weiterführung von Googles Transformer-Architektur versprechen große Fortschritte bei dialogfähigen Computern.

Schon im Februar 2019 bewahrheitet sich diese Annahme: 2019 ist das Jahr der Sprach-KIs.

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Sie können große Mengen Text verarbeiten und so Daten in Jahresabschlussberichten thematisch sortieren oder technische Dokumentationen durchsuchen und dadurch benötigte Reparaturen besser vorhersagen. Sie generieren Werbeslogans, übersetzen antike Texte, entdecken in alten Studien neue thermoelektrische Materialien oder liefern Programmierern Code-Vorschläge.

Googles KI soll aus Big Data sogar ableiten können, wie realistisch eine Flugverspätung ist. Bild: Google
Googles KI soll aus Big Data sogar ableiten können, wie realistisch eine Flugverspätung ist. Bild: Google

OpenAI baut mit der Transformer-Architektur die mächtige Sprach-KI GPT-2, die glaubwürdige Textpassagen zu beliebigen Themen auf Knopfdruck generiert. Alles, was sie dafür braucht, sind zwei bis drei einleitende Sätze.

Aus Sorge vor massenhaft Fake-Texten veröffentlicht OpenAI die Sprach-KI nur in einer stark reduzierten Version. Im November kommt dann doch die Vollversion. Weshalb? Zwischenzeitlich wurde GPT-2 von anderen Sprach-KI-Systemen ein- und sogar überholt.

Aus der zuvor erwähnten Transformer-Architektur entsteht Googles BERT, eine vortrainierte Sprach-KI. Google setzt BERT seit Oktober nach und nach für die eigene Suchmaschine ein. Es ist die größte Änderung an Googles Suchalgorithmus seit fünf Jahren. BERTs Sprachverständnis hilft Google angeblich, Fragen besser zu verstehen und dem richtigen Kontext zuzuordnen. So sollen die Suchergebnisse besser werden.

Google packt 2019 außerdem eine schnelle und schlankere Offline-Version seines KI-Assistenten auf Pixel-Smartphones, stellt eine Recorder-App vor, die in Echtzeit transkribiert und bietet Live-Untertitel für jede Audioquelle. All diese Innoationen basieren auf KI-Technologie.

Künstliche Intelligenz: Diese Themen werden 2020 wichtig

Vier Themen werden 2020 die KI-Berichterstattung dominieren:

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  • Deepfakes,
  • autonomes Fahren,
  • Regulierungen
  • und sprachbegabte Künstliche Intelligenz.

2020 ist Wahljahr in den USA. In dem Land, in dem Wahlkämpfe traditionell mit allen Mitteln geführt werden, könnten Deepfakes eine Rolle spielen – ob als Satireformat oder um gezielt falsche Informationen zu verbreiten. Bilder lügen nicht. Oder doch?

Autonome LKWs werden verstärkt im Warentransport fahren, zum Beispiel auf dem Firmengelände. Waymo wird seine Roboter-Taxis neben Phoenix in weitere Städte bringen. Und wenn Elon Musk sein Versprechen hält, werden wir spätestens Ende des Jahres hunderttausende Teslas auf den Straßen finden, die theoretisch autonom unterwegs sein könnten. Andere Hersteller werden ihre Wagen wenigstens teilweise autonom fahren lassen.

Alle großen Staaten werden 2020 ihre Bemühungen zur Regulierung oder Deregulierung der KI-Technologien verstärken. Die Weichen dafür wurden 2019 gestellt – etwa mit den Ausarbeitungen der High-Level Expert Group on AI der EU oder den Verboten von Gesichtserkennung in einigen amerikanischen Großstädten. Das sogenannte "Ethics Washing" bei KI wird in den Mainstream-Medien ein großes Thema sein.

Sprach-KIs werden ein festes Zuhause in der Datenanalyse finden. Text ist der häufigste Datentyp in Unternehmen. Dort sind die möglichen Anwendungen der Sprach-KIs vielfältig, erste Ansätze waren bereits 2019 zu sehen: Das KI-Startup Deepset bietet Datenanalyse durch Sprach-KIs an und arbeitet beispielsweise mit Infineon, Airbus und Siemens zusammen.

Und OpenAIs GPT-2 war 2019 erst der Anfang bei der Sprachgenerierung: 2020 bringt noch größere Sprachmodelle und so noch bessere KI-Texte.

KI soll vielfältiger werden

In der Forschung werden zwei Themen eine große Rolle spielen: Die Generalisierung von KI und die Automatisierung ihrer Entwicklung. Künstliche Intelligenz soll mehr Aufgaben innerhalb eines Systems beherrschen und sich im Optimalfall eigenständig weiterentwickeln.

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Für beide Verfahren wurden 2019 wichtige Grundsteine gelegt. Für 2020 erwarte ich automatisch generierte KI-Architekturen, die schneller und leistungsstärker sind bei geringerem Energieverbrauch als von Menschen konstruierte Modelle.

Diese Entwicklung könnte direkt zum zweiten großen Ziel der KI-Forschung führen: Künstliche Intelligenz, die mehrere Spezialaufgaben beherrscht und Wissen der einen KI auf die andere übertragen kann. Das wäre ein großer Schritt hin zu einer menschenähnlichen künstlichen Intelligenz, die ein grundlegendes Verständnis für die Welt entwickeln kann.

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Max ist leitender Redakteur bei THE DECODER. Als studierter Philosoph beschäftigt er sich mit dem Bewusstsein, KI und der Frage, ob Maschinen wirklich denken können oder nur so tun als ob.
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