Das EU-Mitglied Estland will Künstliche Intelligenz juristische Entscheidungen treffen lassen. Ein Pilotprojekt soll Ende des Jahres starten.
Künstliche Intelligenz wird von Staaten in der Verwaltung, der Überwachung oder der Justiz eingesetzt. In den USA schlägt KI Urteile für Straftäter vor, in Deutschland überwacht sie öffentliche Plätze nach auffälligen Bewegungsmustern. Doch was Estland plant, gab es bisher noch nicht: einen KI-Richter.
Die Initiative geht von Estlands Justizministerium aus und soll den funktionierenden Rechtsstaat bei sinkenden Angestelltenzahlen sicherstellen. Der KI-Richter ist Teil einer Reihe von KI-Pilotprojekten, die staatliche Aufgaben übernehmen sollen.
Erster Test schon Ende des Jahres
Das Projekt befindet sich noch in einer frühen Phase, soll aber schon Ende des Jahres an echten Fällen getestet werden. Die KI soll jedoch erst einmal einfache Verhandlungen bearbeiten: Bagatellstreitigkeiten mit einem Streitwert von weniger als 7.000 Euro.
Wie genau die Künstliche Intelligenz ihr Urteil fällen soll, ist noch unklar. Bisher ist geplant, dass die streitenden Parteien relevante Dokumente und Informationen hochladen. Die KI wertet die Dokumente aus und erlässt dann ein Urteil. Bei Bedarf können die Parteien Berufung vor einem menschlichen Richter einlegen.
Wer vertraut der KI?
Bereits im letzten Jahr schlug eine Künstliche Intelligenz Anwälte bei der Beurteilung von Verträgen. Die KI der Firma LawGeex wird von Firmen wie Deloitte oder Sears genutzt, um Verträge in wenigen Minuten auf rechtliche Unstimmigkeiten zu überprüfen.
Es erscheint naheliegend, diese oder eine ähnliche Beurteilungskompetenz über kurz oder lang in der Rechtsprechung einzusetzen. Inwieweit so der Damm für eine breiten Einsatz von KI-Richtern bricht, hängt davon ab, wie Regierungen Probleme aktueller KI-Technologie bewerten.
"Maschinelle Vorurteile bereiten Sorge", sagt David Engstrom, ein Experte für Digitale Verwaltung an der Stanford Universität zu Wired.
Wenn KI zukünftig Rechtsfragen beantworte, brächten immer weniger Menschen ihr Fachwissen in das juristische System ein, so Engstrom. Die Folge: Rechtsstreits werden auf Basis historischer Daten beurteilt und nicht kritisch im aktuellen Kontext analysiert.
So könnten alte Vorurteile nie aufgedeckt werden und neue entstehen. "Das ist die schleichende Veränderung, um die sich Datenschutz- und gute Regierungsbeauftragte sorgen, wenn Regierungen auf diese Weise digitalisieren", sagt Engstrom.
Via: Wired