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OpenAI verkauft die eigene Text-KI GPT-3 als großen Erfolg und wertvolles Produkt. Was denken deutsche KI-Experten über die Textautomatisierungssoftware?

Mitte des Jahres veröffentlichte OpenAI die riesige Text-KI GPT-3, die anhand einer knappen thematischen Eingabe passende glaubhafte Texte erstellen kann. OpenAI verkauft Zugänge zu einer Schnittstelle zum Textwunder, bietet aber keinen direkten Zugriff auf den Code – Ausnahme ist wohl der Exklusivpartner Microsoft.

GPT-3 generierte viel Aufmerksamkeit, weil die KI glaubhafte Texte schreibt und zusätzlich andere Fähigkeiten lernte, zum Beispiel auf Zuruf Code generieren kann oder einfache Matheaufgaben ausrechnet.

OpenAIs Mitgründer Sharif Shameem betonte kurz nach Veröffentlichung von GPT-3 dennoch, dass die eigene KI-Software overhyped sei. Auch Facebooks KI-Chef meint, die Fähigkeiten von GPT-3 und generell von mit viel Text trainierten KI-Modellen würden überschätzt.

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Text-KI: Zu ungenau fürs Fußballland?

In einem Gespräch mit dem Science Media Center teilen deutsche KI-Experten diese Einschätzung: GPT-3 habe gelernt, wie Menschen sich ausdrücken, wisse also, welche Wörter zusammenpassen. Aber echtes Sprachverständnis? Fehlanzeige.

"Weil GPT-3 die typischen Ausdrucksweisen auswendig gelernt hat, sieht der generierte Text auf den ersten Blick sehr natürlich aus, wie vom Menschen geschrieben. Aber auf den zweiten Blick merkt man, dass kein echtes Sprachverständnis da ist", sagt Prof. Dr. Hinrich Schütze, Spezialist für Computerlinguistik.

Er führt als Beispiel einen automatisiert erstellten Sportbericht an. Die derzeit von der Presse eingesetzten Systeme für automatisierte Sportberichte lesen Ergebnisse wie Tore oder Karten in einem Fußballspiel aus und produzieren einen gut lesbaren Text mit passender Überschrift: "Deutschland gewinnt knapp gegen Ukraine".

Würde GPT-3 diese Überschrift schreiben, könne der Titel auch "Deutschland verliert knapp gegen die Ukraine" lauten. Man müsse die Grundzusammenhänge des Fußballs verstehen, um aus dem Torverhältnis abzuleiten, dass Deutschland gewonnen hat. Dieses Grundverständnis von Sprache und Welt fehle in Deep-Learning-basierten KI-Modellen. GPT-3 sei daher in seiner jetzigen Form nicht gut einsetzbar für Aufgaben in der Sprachverarbeitung, meint Schütze.

Das sei auch der Grund, weshalb GPT-3 kein guter Journalisten-Ersatz sei, meint Dr. Jessica Heesen, Spezialistin für Medienethik und Informationstechnik. Diese Aufgabe erfordere ein Verständnis lebensweltlicher Kontexte und davon, wann man sich nicht anpassen sollte – etwa bei einem journalistischen Text, der sich in Opposition zur herrschenden Meinung befindet.

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Aus diesem Grund könne man aus GPT-3 auch keine Wertvorstelllungen ableiten, denn die KI spiegele wider, was der Fall ist und nicht, was der Fall sein sollte. GPT-3 sei dennoch ein sehr wichtiger Beitrag für die Wissenschaft und eine Vision, wie maschinelles Lernen aussehen kann, sagt Schütze.

GPT-3 als Vorbild für europäische KI-Forschung

Das sieht auch Prof. Dr. Kristian Kersting so, er ist Spezialist für maschinelles Lernen: GPT-3 allein habe für sich genommen kein großes Anwendungspotenzial. Doch als Teilkomponente eines komplexeren Systems gebe es spannende Möglichkeiten, meint Kersting.

Die Text-KI sei als KI-Modell aber vor allem eine Inspiration für die KI-Forschung und ihre Kommerzialisierung ein Weckruf für Europa: "Ich glaube, wir müssen das als Weckruf sehen und dass wir Europäer, gerne auch mit anderen Kulturen, jetzt anfangen, Gegenströmungen aufzubauen, die wirklich offen sind", sagt Kersting. Dafür brauche es eine Zusammenarbeit von Regierungen und Universitäten.

Daten, Code und die nötige Infrastruktur müssten in Europa aufgebaut und offen zur Verfügung gestellt werden. Nur das garantiere gleiche Rechte und gleiche Chancen im Umgang mit KI-Technologie. "Ich glaube, es sollte ein europäisches GPT-X geben, auf die Bürger und Bürgerinnen zugreifen können, aber eben auch alle Firmen", so der KI-Spezialist.

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Heesen stimmt dem zu: Es brauche mehr Vielfalt auf dem Markt und mehr Produkte aus Europa, die die von der europäischen Kommission entwickelten Werte für KI übernehmen.

"Pluralität ist aus meiner Perspektive tatsächlich ein Zauberwort", sagt Heesen. Europa müsse den Mittelstand stärken, Schnittstellen für Start-ups schaffen, Zugang zu KI-Technologie auf allen Ebenen des Marktes gleichermaßen ermöglichen und Monopolstellungen weniger Konzerne verhindern.

GPT-3: Im Durchschnitt brauchbar ist gut genug

Für einen echten Fortschritt braucht es allerdings noch mehr, meint Schütze. Er kritisiert, dass GPT-3 nicht dazulernt: Das nach dem Prinzip des unüberwachten Lernens (Erklärung) trainierte System lernt im Einsatz nicht mehr weiter.

Der Professor für Computerlinguistik sieht in solchen immer weiter lernenden Systemen die Zukunft Künstlicher Intelligenz. Seine Methode der Wahl ist eine Kombination des unüberwachten und überwachten Lernens. Er und seine Forschungsgruppe arbeiten an einer Text-KI, die zu etwa 90 Prozent unüberwacht und zu 10 Prozent überwacht lernt.

Kersting ist optimistischer: Modelle wie GPT-3 könnten mit dem unüberwachten Lernen noch mehr Daten wie Industriedaten erfassen und so dort, wo keine perfekte Antwort benötigt werde, Mehrwert schaffen.

"Wir sind so sehr als Ingenieurland geprägt, dass wir von der Maschine eine perfekte Antwort erwarten. Da möchte ich widersprechen. Vielleicht müssen wir uns daran gewöhnen, dass KI[...] wie der Mensch nicht immer ganz perfekt sein muss, sondern es reicht, wenn sie im Durchschnitt brauchbare Antworten gibt", so Kersting.

Via: SMC

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Max ist leitender Redakteur bei THE DECODER. Als studierter Philosoph beschäftigt er sich mit dem Bewusstsein, KI und der Frage, ob Maschinen wirklich denken können oder nur so tun als ob.
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