Der Bundesrat fordert weitreichende Änderungen am Gesetzesentwurf zum autonomen Fahren. Wie reagiert die Bundesregierung?
Der Deutsche Bundesrat reagiert in einer umfassenden Stellungnahme auf den Gesetzesentwurf zum autonomen Fahren. Darin fordert die Länderkammer gleich mehrere Änderungen. Neben einer Regelung zur Haftung der technischen Aufsicht im Straßenverkehrsgesetz solle auch sichergestellt werden, dass selbstfahrende Autos ordnungsgemäß auf Blaulicht reagieren. Eine Gegenäußerung der Bundesregierung liegt bereits vor.
Gesetz zum autonomen Fahren bleibt eine Hängepartie
Die Stellungnahme des Bundesrates und die dazugehörige Gegenäußerung der Bundesregierung erstrecken sich auf über vierzig Seiten. Darauf werden insgesamt 26 Punkte zum umstrittenen Gesetzesentwurf für autonomes Fahren diskutiert, den das Bundesverkehrsministerium (BMVI) auf den Weg brachte.
Der Bundesrat fordert unter anderem Anpassungen zur Beachtung von Blaulicht. Vor allem Träger von Hilfsorganisationen wie Feuerwehr, Rettungsdienste und die Polizei seien im Einsatz von der Straßenverkehrsordnung (StVO) befreit. Es müsse sichergestellt werden, dass autonom fahrende Vehikel dies erkennen und Einsatzfahrzeuge nicht bei der wichtigen Aufgabenerfüllung behindern.
Der Gesetzgeber solle außerdem zwingend vorschreiben, welche Behörde für die Zulassung autonomer Fahrzeuge zuständig ist. Bislang sieht der Entwurf vor, dass die Zulassung „von der nach Landesrecht zuständigen Behörde“ gehandhabt wird. Der Bundesrat sieht hier die Gefahr, dass auf Bundesebene zu viele unterschiedliche Behörden mit der Aufgabe betraut werden und so unnötige Hürden im Verfahrensablauf entstehen.
Beide Vorschläge lehnt die Bundesregierung ab. Für die Ausführung der Bundesgesetze seien nach der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung grundsätzlich die Länder zuständig. Die Genehmigungszuständigkeiten müssten schon deshalb bei den Ländern liegen, da diese besser auf die örtlichen Gegebenheiten Rücksicht nehmen könnten.
Ist die Haftung einer technischen Leitstelle ausreichend geklärt?
Neben vielen weiteren Konkretisierungen bittet der Bundesrat auch, den Begriff „Fahrmanöver“ zu erläutern. Die vorgeschriebene „Technische Aufsicht“, also die via Funk verbundene Leitstelle, ist laut dem Gesetzesentwurf verpflichtet, ein alternatives Fahrmanöver einzuleiten, sobald das autonome Fahrsystem dies veranlasst.
Hier ist nicht abschließend geklärt, welche Bewegungen des Autos darunter fallen. Es seien auch Verkehrssituationen denkbar, die eine Freigabe eines Manövers durch die technische Aufsicht gerade nicht zulassen. Hier stimmt die Bundesregierung zu. Bei der Haftungsfrage gehen die Meinungen allerdings auseinander.
Bislang sei nur eine Haftpflichtversicherung für die technische Leitstelle vorgeschrieben. Laut Bundesrat sei auch zu klären, ob weitere Vorschriften zur Haftung einer Person nötig seien, die ein autonom fahrendes Fahrzeug „gegebenenfalls ohne Wissen und Willen des Halters“ steuert.
Die Bundesregierung entgegnet, dass die Haftung der technischen Aufsicht im allgemeinen Deliktrecht des BGB ausreichend geregelt sei. Aus Sicht der Bundesregierung bedarf es keiner weiteren Haftungsregelungen für Personen, die ein autonomes Fahrzeug entgegen der Kenntnis des Halters fahren. Das geltende Recht sehe bereits eine entsprechende Gefährdungshaftung des Benutzers („Schwarzfahrers“) vor.
Uneinigkeit beim Datenschutz
Hinsichtlich des viel kritisierten Umgangs mit Daten geht der Bundesrat vor allem auf die Speichervorschrift durch die Halter ein. Die werden verpflichtet, bestimmte Daten zu speichern, die beispielsweise zur Rekonstruktion von Unfallvorgängen benötigt werden. Es gebe aber keinerlei Verpflichtung für die Hersteller, die Fahrzeuge mit einer entsprechenden Speichermöglichkeit auszustatten. Darüber hinaus bittet der Bundesrat im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob ausreichende Rechtsgrundlagen für die Datenverarbeitung zugrunde liegen oder ob noch weitere gesetzliche Regelungen geschaffen werden sollten.
Halter hätten zwar die Pflicht, in bestimmten Fällen Daten an Behörden weiterzureichen. Aus dem Entwurf (§ 1g Absatz 4 und 6 StVG-E ) gehe aber nicht eindeutig hervor, auf welcher Rechtsgrundlage dies beruhe. Im aktuellen Entwurf fallen unter die genannten Behörden das Kraftfahrt-Bundesamt und „die für die Genehmigung von festgelegten Betriebsbereichen nach Landesrecht zuständigen Behörden“.
Das lehnt die Bundesregierung ab. Ziel des Gesetzes sei es, das autonome Fahren in festgelegten Betriebsbereichen zu gestatten. Die Datenverarbeitung sie nötig, damit die an der Zulassung und Überwachung der Fahrzeuge beteiligten Behörden ihre gesetzlichen Aufgaben erfüllen könnten.
Weiter heißt es in der Gegenäußerung: „Eine umfassende Regelung sämtlicher datenschutzrechtlicher Aspekte autonomen Fahrens ist mit dem Gesetzentwurf nicht intendiert. Entsprechende Regelungen erscheinen zurzeit entbehrlich.“
Die Bundesregierung wolle die technische Entwicklung in diesem Bereich jedoch fortlaufend beobachten und entsprechende Regelungen zu gegebener Zeit und sobald sie erforderlich seien erarbeiten.
Die vollständige Stellungnahme des Bundesrates samt Gegenäußerung der Bundesregierung findet ihr im verlinkten PDF. Die Gegenäußerung der Bundesregierung beginnt ab Seite 34. Einige der vom Bundesrat angesprochenen Punkte werden nun überarbeitet, bevor es zu einer endgültigen Entscheidung kommt.
Gesetzesentwurf für autonomes Fahren: Kritik aus allen Richtungen
Der Entwurf sorgte schon im Vorlauf für reichlich Gesprächsstoff. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer will mit dem geplanten Gesetz eine Grundlage schaffen, um autonome Fahrzeuge in den Regelverkehr zu bringen und Deutschland zur „Weltspitze des autonomen Fahrens“ zu machen. Das ambitionierte Vorhaben stößt allerdings seit der Vorstellung des Gesetzesentwurfs im Oktober letzten Jahres auf Gegenwind.
Problematisch wurde es, als im Januar das Bundesjustizministerium (BMJV) den Gesetzesentwurf ablehnte. Eine darin festgelegte Datenübermittlungsregelung, die vorsehe, persönliche Daten auf Anfrage des Bundeskriminalamts und des Verfassungsschutzes weiterzuleiten, könne nicht in Einklang mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gebracht werden.
In den folgenden Wochen kam weitere Kritik von der Verbrauchzentrale Bundesverband e. V. und dem IT-Branchenverband Bitkom auf. Offene Fragen des Datenschutzes müssten dringend geklärt werden, damit entsprechende Risiken nicht zulasten von Haltern und Herstellern gehen. Aller Kritik zum Trotz billigte das Bundeskabinett den umstrittenen Gesetzesentwurf in einer Kabinettssitzung Anfang Februar - quasi nebenbei und ohne nennenswerte Änderungen. Daraufhin leitete das BMVI ein EU-Notifizierungsverfahren ein und gab den Entwurf zur weiteren Prüfung an Bundestag und Bundesrat.
Titelbild: Waymo, Quelle: Deutscher Bundestag