Ein neues Meme nutzt Deepfake-Technologie: Hunderttausende schauen sich dafür an, wie man Deepfakes produziert.
Das Meme "Baka Mitai" (engl. "Ich bin ein Narr") gehört nicht zu den viralsten seiner Art, die Verbreitung ist für ein Meme überschaubar. Es ist aus einem anderen Grund bemerkenswert: Wer es in seiner aktuellen Form verwenden will, muss sich mit Deepfakes befassen.
Das Meme entspringt dem Videospiel "Yakuza", in dem der Song "Baka Mitai" vom Hauptcharakter in einer japanischen Karaoke-Bar dargeboten werden kann.
Schon 2018 tauchten erste Parodie-Videos des Songs bei YouTube auf. Doch richtig populär wurde das Meme erst in den letzten Wochen in der Deepfake-Version.
Meme-Motivation: Deepfakes lernen für den guten Gag
Der Bekanntheitsgrad des Memes wuchs, als ein Twitter-Nutzer ein schon zum Meme gewordenes Video des Spieleentwicklers Alexander Mahan (YandereDev) per Deepfake so modifizierte, dass es aussieht, als gebe Mahan "Baka Mitai" zum besten.
— Windy (@heyitswindy) July 10, 2020
— Cakewalking (@Tortokhod) July 17, 2020
Weitere Deepfake-Memes folgten, zum Beispiel wurde der populäre Tech-YouTuber Linus zum Karaoke-Sänger. Das reichte immerhin für rund 200.000 Views allein bei YouTube.
Auch Barack Obama gibt den Song zum besten oder der Marvel-Bösewicht Thanos.
Die Deepfakes basieren auf dem frei verfügbaren Code "First Order Motion" (Paper), der von italienischen Forschern der Universität Trient und dem Snapchat-Unternehmen Snap entwickelt wurde. Der Code führt ein neues KI-Modell ein, das eigenständig Muster in großen Datenmengen findet - wie zum Beispiel in Ansammlungen von Pixeln.
Nach einem Vortraining kann das Modell Gesichter erkennen und verändern, ohne dass ein weiteres Training speziell für das ausgewählte Gesicht notwendig ist. Das erleichtert und beschleunigt den Herstellungsprozess für Deepfakes.
YouTuber liefert Vorlage für das KI-Training
Die Gesangsvorlage für das Deepfake-Meme lieferte der YouTuber Dobbysrules ungewollt, als er 2017 ein Video von sich hochlud, in dem er "Baka Mitai" lippensynchron mitsingt.
Der YouTuber shaggySuave erstellte aus diesem Video eine Vorlage für das KI-Training in Deepfake optimierten 256 mal 256 Pixeln bei 30 Bildern pro Sekunde. Die Vorlage lud er Ende Juli hoch, seitdem hat sie mehr als eine halbe Million Aufrufe erzielt.
Kombiniert man das Deepfake-Template, ein Zielbild und das KI-Modell über eine Software, entsteht die krude Meme-Animation. Programmieren muss man dafür nicht können, es genügt, wenn man den zahlreichen Schritt-für-Schritt-Anleitungen im Netz folgt. Allein das folgende Video wurde seit Anfang August fast eine halbe Million Mal aufgerufen.
Das Deepfake-Meme ist qualitativ weit von hochwertig produzierten Deepfakes (Beispiele) entfernt. Dennoch verbreitet es den Deepfake-Herstellungsprozess und bietet so einen einfachen Einstiegspunkt in das Deepfaken.
Deepfakes kommen im Social-Mainstream an
Der einmal erlernte Deepfake-Prozess kann auf andere Motive übertragen werden. Bei TikTok beispielsweise etabliert sich das Hashtag #Deepfake, entsprechende gekennzeichnete Kurzvideos sammelten insgesamt fast 150 Millionen Ansichten ein.
@dukeharold##wap political edition. ##fyp ##deepfake ##memes ##funny ##TimeforTENET♬ original sound - dukeharold
Klar: Bei der aktuellen visuellen Qualität sind Deepfake-Memes eindeutig als Fake-Videos erkennbar. Auf der anderen Seite wissen wir, dass fotorealistische Deepfakes mit mehr Aufwand möglich sind und die Entwicklung der Technik rasant voranschreitet (Geschichte der Deepfakes).
Einzelne Nutzer bei TikTok, Instagram oder YouTube spezialisieren sich bereits auf Deepfake-Inhalte und geben ihr Wissen weiter. Der TikTok-Nutzer "IamJesseRichards" beispielsweise produziert hochwertigere Deepfakes und verkauft auf seiner Webseite "How to Deepfake" die dazu passenden Anleitungen. Bei TikTok sammelte er bislang fast eine Million Follower.
@iamjesserichardsFor their 10 year anniversary I brought one direction back together! ##onedirection ##deepfake♬ Story of My Life - One Direction
TikTok, Instagram, YouTube und Co. stehen womöglich vor der größten Herausforderung ihrer jungen Geschichte: Wenn die algorithmische Verbannung von Deepfakes nicht greift, weil die Fälschungen selbst für Maschinen nicht mehr als solche erkennbar sind, und Menschen Videos in der Folge nicht mehr trauen können, müssen sie den Weg weisen in ein neues Zeitalter, in dem sich Menschen nicht mehr auf Videos verlassen können, um sicherzustellen, dass etwas tatsächlich passiert ist. Keine ganz leichte Aufgabe für eine Videoplattform.
Quellen: MIT, Know Your Meme, Twitter, TikTok, YouTube; Titelbild: Screenshot bei TikTok / Helltaker03